Man kann es nicht anders sagen: Das ist ein krasses Buch! Die englische Autorin Deborah Kay Davies macht es dem Leser nicht einfach, die Protagonistin ihres Debütromans ins Herz zu schließen. Im Gegenteil – man ist geneigt, diese Frau zu rütteln und zu schütteln, auf dass sie endlich aufwacht und erkennt, was für einem Mistkerl sie erlegen ist.
Die junge Frau arbeitet beim Sozialamt, ihr Leben ist eines dieser normalen, unaufgeregten Leben. Sie arbeitet, hat Spaß mit ihrer besten Freundin Alison, einen guten Kontakt zu ihren Eltern, aber eben keinen Mann. Bis sie eines Tages zur Sachbearbeiterin eines Ex-Sträflings wird. Blonde Locken, enge Jeans. „Die obersten Knöpfe seines Hemdes standen offen. Sein Hals sah zum Anbeißen aus.“ Als sie Feierabend hat, wartet der Mann vor der Tür auf sie. Er redet nicht viel. Bloß: Hi. Und: Kommst du? Dann nimmt er ihre Hand, zieht sie mit sich.
„Ich ging einfach mit“, schreibt sie. In dem darauffolgenden kurzen Kapitel, das mit dem Titel „Ich passe nicht auf meine Sachen auf“ überschrieben ist, hat sie einen ebenso kurzen Fick mit ihm in der Tiefgarage – die Wörter Beischlaf oder Geschlechtsverkehr oder gar Sex wären hier unangebracht. Danach setzt er sie in ein Taxi und schickt sie heimwärts. Und sie? Betrauert ihre neue Lederjacke, die von der Betonwand der Tiefgarage Risse und Kratzer am Rücken bekommen hat.
Freunde und Familie sind brüskiert, aber Mr. Blond kommt und geht
Sie verfällt dem Mann, der von Alison nur Mr. Blond genannt wird. Sie verfällt ihm derart, dass sie ihren Job verliert, ihre Freunde und Familie brüskiert und sich selbst immer mehr vernachlässigt. Der Typ kommt und geht, wann er will. Er schlägt und vergewaltigt sie, nimmt ihr wochenlang das Auto weg, so dass sie mit dem Taxi zur Arbeit fahren muss. Sie erträgt es mit einer stoischen, ja: naiven Ruhe. Sie redet sich ein, diesen Mann zu lieben.
Spät, sehr spät erst trifft sie die Erkenntnis:
„Was tat ich da? Es konnte doch nicht sein, dass jemand kam und ging, wie es ihm passte. Oder das Leben eines anderen einfach so in Beschlag nahm. Oder jemanden allein auf einer Party zurückließ. Oder in eine Familienbeerdigung reinplatzte. Ich setzt mich aufs Klo und rieb mir die Augen, bis ich nur noch blutrote Punkte sah. Ich dachte an die anderen Dinge, die er mir angetan hatte. Die ich ihn hatte tun lassen. Es waren keine guten Dinge. Er war nicht gut für mich.“
Deborah Kay Davies schreibt all das mit wahrem Geschick. So sehr man diese junge Frau auch verteufelt, so sehr will man dieses Buch lesen, weil es fassungslos macht, aber auch weil es mit fassungslos eindringlicher Sprache beschreibt, wie sich eine solche Abhängigkeit aufbaut und sie den Menschen immer tiefer in den Abgrund reißt. Unbedingt lesen!
Deborah Kay Davies: Bedingungslos, Kein & Aber Verlag, Zürich, 2010, 217 Seiten, gebunden, 18,90 Euro, ISBN 978-3036955872