Sie scheint nicht brechen zu wollen, die Welle der Bücher, die von Jugenderfahrungen sprechen, und die den Weg vom Kindsein zum Erwachsenwerden für ein zumeist junges Publikum aufbereiten. Es gibt derer viele, die sich diesem Thema widmen. Umso mehr wundert es, dass Jakob Hein nun auch noch ein Buch beisteuert.
Jakob Hein, ein von mir sehr geschätzter Autor (zuletzt sehr großartig und uneingeschränkt zu empfehlen: „Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht“), wurde 1971 in Leipzig geboren und lebt derzeit in Berlin. So liegt es nahe, dass der Protagonist Sascha sich an seine Jugend in der ehemaligen DDR erinnert. Doch will Hein nicht Gesellschaftskritik üben, Hein erinnert nur. Wie es war, im System des Sozialismus groß zu werden. Wie man der Oma Kaufaufträge für die Besuche im Westen gab und sie am Abend voller Spannung am Bahnhof empfing, nur um festzustellen, dass Oma keine Ahnung von großartiger Westmusik oder Westkleidung hatte. Erinnerungen an Ostdiskos und Punk- und Rockmusik. Ehemalige DDR-Kinder nicken vielleicht beim Lesen dieser und anderer Passagen. Wir, die wir nicht in diesem System groß geworden sind, lesen sie immer noch mit einer gewissen Neugier, jedoch nicht mehr mit dem brennenden Interesse der ersten Begegnungen. Zu viel wurde bereits darüber geschrieben, gelesen, gesagt, verfilmt. Und so ist „Liebe ist ein hormonell bedingter Zustand“ auch nur eines von vielen dieser Erinnerungsbücher, die unsere Generation in der erlebten Vergangenheit schwelgen lassen sollen.
Nun handelt der Roman aber auch von Liebe, die hormonell bedingt ist, so der Titel. Sascha hat glücklicherweise ein Problem, das nicht nur in der DDR und der BRD, sondern weltweit die Jugendlichen beschäftigt: Dauerverliebtheit. Sascha ist immer wieder verliebt. In immer wieder neue, erfolgsversprechende Mädchen. Doch, man ahnt es schon, die Liebe wird nicht erwidert. Im Gegenteil, Sascha wird stets nur der beste Freund. Oder wie Hein schreibt: „Die beste Freundin mit Penis.“ Das ist auf Dauer wenig befriedigend für Sascha. Und der Leser kann es nachempfinden (die Leserin auch?). Er arbeitet sich ab, er tut und macht, und darf sich dann von seiner jeweiligen Angebeteten anhören, mit welchem Typen die in die Kiste gesprungen ist. Der Leser leidet mit, weil es furchtbar ist. Sascha ist ein Frauenversteher. Und er hofft, eines Tages dafür belohnt zu werden. Doch wer belohnt wird, sind die Machos, die Draufgänger, die sich nicht um Gefühle scheren. Und Sascha ist derjenige, der das gebrochene Herz seiner Angebeteten wieder kittet, in der Hoffnung, dass es nun für ihn schlagen möge.
Doch was hatten die Frauen mit mir gemacht? Sie hatten mein Herz genommen und damit Federball gespielt. Sie hatten damit die Unterkanten ihrer Toiletten gereinigt und es dann heruntergespült. Sie hatten sich damit die Zahnzwischenräume von Plaque befreit. Sie hatten darauf herumgetrampelt und es in meinem ständig weit geöffneten Brustkorb links liegen gelassen. Die meisten Frauen hatten mich einfach nur missachtet, vor allem, wenn ich ihnen keinerlei Zeichen meiner Liebe gegeben hatte.
Sascha ist ein tragischer Held. Und die Aneinanderreihung von Misserfolgen wäre wohl zutiefst langweilend, wenn Hein nicht in seiner Sprache jenen Witz hätte, der seine Bücher immer wieder lesenswert macht. Trotzdem ist es nur eines jener vielen Erinnerungsbücher der Jugend – wer solche Bücher liebt, sollte auch dieses lesen.
Ich selbst bin derzeit noch etwas ratlos, ob es eines der Bücher ist, die mein Regal nicht braucht. Es war nicht der Hein-Roman, den ich erwartet hatte, es setzt nicht die Brillanz des Vorgängers fort. Aber er ist nun auch wiederum nicht so schlecht, dass ich ihn hier zerreißen müsste. Aber, lieber Jakob Hein, beim nächsten Mal bitte wieder ein Buch, dass ich loben und preisen kann. Machen Sie es mir doch nicht so schwer!
Jakob Hein: Liebe ist ein hormonell bedingter Zustand, Piper Verlag, 2009, 174 Seiten, Taschenbuch, 14,95 Euro, ISBN 978-3492053594