Buch Wien: Lewitscharoff wettert gegen Amazon

DSC_0197Die internationale Buchmesse „Buch Wien“ ist eröffnet. Am Mittwochabend nutzte die Eröffnungsrednerin Sibylle Lewitscharoff die Gelegenheit, neben ihrem angekündigten Beitrag über die Zukunft des Lesens auch gegen das Online-Versandhaus Amazon zu wettern: „Wenn ich eine Firma hasse, dann Amazon!“

Die frisch gekürte Georg-Büchner-Preisträgerin fand scharfe Worte gegen den aggressiven Online-Händler: „Amazon bezahlt keine Steuern in den Ländern, in denen dieser widerliche Club eine Menge Geld verdient. Er bezahlt seine Angestellten empörend schlecht, ruiniert die Buchhändler und zunehmend auch die Verlage.“

Sie selbst habe zuletzt notgedrungen bei Amazon bestellen müssen, weil es in ihrem Stadtteil von Rom, wo sie derzeit als Stipendiatin der Villa Massimo wohnt, erschreckenderweise keine Buchhandlung mehr gebe und auch kein anderer Händler in Rom das Buch habe beschaffen können. Das sei eine ziemlich scheußliche Welt, sagte Lewitscharoff.

„Mit einem Jubelruf auf den Lippen ins Grab“

„Sollte es mir vergönnt sein, den Tod dieser verhassten Firma zu erleben, sinke ich mit einem Jubelruf auf den Lippen ins Grab“, erklärte sie weiter. Viel Hoffnung aber habe sie nicht.

Lewitscharoff bekannte sich offen und frenetisch dazu, Bücher zu lesen, und zwar solche, die zwischen zwei Buchdeckeln zu finden sind: „Ein Buch ist wie eine Schatulle.“ Das eBook jedoch werde wohl auch nicht so schnell wieder vom Markt verschwinden. „An diese Art des Lesens werde ich mich aber nie gewöhnen können.“ Zu flüchtig sei sie, zu „verschwindibushaft“.

„Ein Buch zu lesen, das ist ein ganz anderer Vorgang, als einen elektronischen Text auf ein Gerät aufzuladen.“ Man öffne ein Buch, schließe es und fühle die Seiten beim Umblättern. „Elektronische Texte rauschen bei mir durch, bei Büchern weiß ich oft noch nach Jahren, wo ich bestimmte Stellen suchen muss und vor allem auf welcher Höhe einer Seite.“

„Sie leben in einem literaturgesegneten Land“

Über die Zukunft des Buches redet Lewitscharoff allerdings nicht so gern wie über die Vergangenheit. An die Österreicher gerichtet sagte sie: „Sie leben in einem literaturgesegneten Land.“ Das 20. Jahrhundert der deutschsprachigen Literatur gehöre ganz den Österreichern. Und sie zählte all jene österreichischen Schriftsteller auf, die ihr „Herz hüpfen lassen“, darunter Musil und Doderer.

Lewitscharoff sprach erfrischend offen über ihre Lesegewohnheiten. Eine Nachtleserin sei sie, niemals eine Tagesleserin. „Bett oder Sofa sind die idealen Unterlagen für den Körper.“ Sie habe sich eine innere Familie angelegt, zu der einige Personen der Literatur gehören. „Vielleicht habe ich mir diese innere Familie erschaffen, weil ich mit meiner eigenen Familie unzufrieden war.“

An Büchern schätzt Lewitscharoff, dass „wir unendlich viele Menschen kennenlernen, ja, sogar in ihren Gedanken sein können.“ Manchmal würde sie gerne mit den Figuren schwätzen, auch wenn sie das Buch schon zu Ende gelesen hat. „Aber ich scheue mich davor, in der Öffentlichkeit zu sein und die Lippen zu bewegen.“ Ihr Ein und Alles, das ist bekannt, ist Franz Kafka. Immer wieder spricht sie davon, dass sie ein inniges Verhältnis zu ihm habe. Mit seinen Figuren aber ließen sich keine Gespräche fortführen.

„Ich glaube an die Zukunft des Buches“

Zum Schluss ihrer beeindruckenden Rede kehrte sie von der Vergangenheit zur Zukunft zurück. Mit Nachdruck sagte sie: „Ich glaube an die Zukunft des Buches zwischen zwei Deckeln und werde weiterhin Bücher bei Buchhändlern kaufen.“

Zuvor hatte schon Claudia Schmied, österreichische Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, das Versprechen abgegeben, wieder mehr Bücher zu kaufen. „Ich freue mich, dass ich bald wieder mehr Zeit zum Lesen habe.“ Ende September hatte sie nach fast siebenjähriger Amtszeit den Rückzug aus der Politik angekündigt.

Schmied hat in allen sechs Jahren die „Buch Wien“ eröffnet und stets sehr bewusst unterstützt. Am Abend sagte sie zum letzten Mal als Bundesministerin die Worte: „Die Buch Wien 2013 ist eröffnet.“

Mehr als 300 Autoren zu Gast

Von Donnerstag bis Sonntag sind mehr als 300 Autorinnen und Autoren auf der größten österreichischen Lesemesse zu Gast. Mit rund 8.800 Quadratmetern Ausstellungsfläche ist die „Buch Wien“ im sechsten Jahr ihres Bestehens erneut gewachsen und stößt jetzt an die Grenzen der belegten Halle D.

In der Größe vergleichbar mit der Leipziger oder gar der Frankfurter Buchmesse ist sie indes nicht. Wesentlich kleiner kommt sie daher, wirkt dadurch aber auch familiärer.

Das vollständige Programm ist hier abrufbar. Der Text der Eröffnungsrede von Sibylle Lewitscharoff ist hier nachzulesen.

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Seitengang fährt zur Wiener Buchmesse

logo_2013_rgbSeit wenigen Tagen ist es amtlich: „Seitengang – Ein Literatur-Blog“ fährt im November zur Internationalen Buchmesse in Wien. Vom 21. bis 24. November 2013 berichtet Seitengang direkt aus Wien über Lesungen, Autoren und Verlage sowie bereits ab dem 18. November über die Lesefestwoche in der österreichischen Bundeshauptstadt.

Schwerpunkt der Wiener Buchmesse ist neben der Vorstellung der Neuerscheinungen auch in diesem Jahr wieder die ost- und südosteuropäische Literatur. Seit ihren Anfängen vor sechs Jahren hat es sich die Buchmesse Wien zur Aufgabe gemacht, den Horizont zu den Literaturen Zentral-, Ost- und Südosteuropas zu öffnen. Darüber hinaus verspricht Programmdirektor Günter Kaindlstorfer „arrivierte Stars und interessante Geheimtipps“ auf der Messe.

Längst kein Geheimtipp mehr ist Ferdinand von Schirach. Der deutsche Schriftsteller und Strafverteidiger wird am 18. November im Rathaus die Lesefestwoche eröffnen. Dort liest er aus seinem neuen Roman „Tabu“, der am 11. September im Piper Verlag erschienen ist. Danach wird er sich den Fragen der ORF-Moderatorin Nadja Bernhard stellen.

Und auch die Eröffnungsrednerin der Buchmesse ist keine Unbekannte: Sibylle Lewitscharoff, Georg-Büchner-Preisträgerin des Jahres 2013, Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Berliner Akademie der Künste. In ihrem Vortrag wird sie sich der „Zukunft des Lesens“ widmen.

Das vollständige Programm wird am 15. Oktober veröffentlicht. Ab 24. September aber ist schon das Detailprogramm Kinder- und Jugendbuch abrufbar.

Hotlist 2013 – Die besten zehn Bücher des Jahres

Hotlist 2013 SymbolDie zehn besten Bücher der unabhängigen Verlage im Jahr 2013 sind gewählt. 4.731 Menschen haben online aus einer Liste von 30 Büchern für ihren Favoriten gestimmt. Die drei Bücher mit den meisten Stimmen hatten dadurch schon ihre Plätze sicher. Die übrigen sieben Bücher sind von einer Jury bestimmt worden, die schließlich auch den Hauptpreisträger küren wird.

Bis zum 18. August war das Online-Wahllokal der Hotlist 2013 geöffnet. Die ersten drei Plätze errangen schließlich diese Bücher:

Platz 1: Luiz Ruffato: Es waren viele Pferde, Assoziation A (920 Stimmen)
Platz 2: Ryu Murakami: Das Casting, Septime Verlag (425 Stimmen)
Platz 3: Stevan Paul: Schlaraffenland, mairisch Verlag (420 Stimmen)

Und das ist sie, die Hotlist 2013 – die besten Bücher des Jahres:

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Luiz Ruffato: Es waren viele Pferde (Assoziation A)
Patrick Deville : Äquatoria (bilgerverlag)
Abbas Khider: Brief in die Auberginenrepublik (Edition Nautilus)
Saskia Hennig von Lange: Alles, was draußen ist (Jung und Jung)
Amy Hempel: Die Ernte (Luxbooks)
Stevan Paul: Schlaraffenland (mairisch Verlag)
Philip Hoare: Leviathan oder Der Wal (mareverlag)
Ryu Murakami: Das Casting (Septime Verlag)
Julia Deck: Viviane Élisabeth Fauville (Verlag Klaus Wagenbach)
Wsewolod Petrow: Die Manon Lescaut von Turdej (Weidle Verlag)

Jetzt steht nur noch die Entscheidung aus, welcher Verlag den mit 5.000 Euro dotierten Hauptpreis und den mit einem Druckgutschein der Freiburger Graphischen Betriebe von 4.000 Euro dotierten Melsusine-Huss-Preis bekommen wird. Die Hotlistpreise werden am 11. Oktober 2013 im Frankfurter Literaturhaus verliehen.

Seitengang gratuliert den Verlagen sowie Autorinnen und Autoren!

Hotlist 2013 – Gehen Sie wählen!

Hotlist 2013 Symbol30 Bücher stehen auf der Hotlist 2013, zehn sollen es werden – die besten zehn der unabhängigen Verlage im Jahr 2013. Sie als Leser können Ihren persönlichen Favoriten mit Ihrer Stimme nach vorne bringen. Also: Gehen Sie wählen! Diese Bücher haben es verdient!

Die Idee der Hotlist entstand im Jahr 2009. Nachdem die Liste für den Deutschen Buchpreis bekannt geworden war, taten sich 20 deutschsprachige Independent-Verlage zusammen und stellten ihrerseits eine Liste von 20 Büchern auf. In einem Interview mit der Online-Ausgabe des Börsenblatts erklärte die Verlegerin Anya Schutzbach, die Hotlist sei „kein Spiegelbild der Longlist, kein böser Angriff, sondern nur ein zusätzlicher Blick in die Vielfalt des Literaturlebens“. Mittlerweile ist die Hotlist als Independent-Literaturpreis anerkannt.

Auch in diesem Jahr sind wieder alle deutschsprachigen Verlage aufgefordert worden, ihr jeweils bestes Buch aus dem aktuellen Programm einzusenden. Aus 141 Büchern hat ein Kuratorium 30 Kandidaten ausgesucht, die nun zur Wahl stehen. Drei Plätze auf der Hotlist werden von den Lesern im Internet gewählt, die übrigen sieben Plätze bestimmt eine Jury, die schließlich auch den Hauptpreisträger kürt.

Und hier geht’s zum Wahllokal!

Die Nominierten:
Luiz Ruffato: Es waren viele Pferde (Assoziation A)

Anne Dreesbach (Hrsg.): Typotopografie Leipzig (August Dreesbach Verlag)

Nellie Bly: Around the World in 72 Days (AvivA Verlag)

Christine Wunnicke: Selig & Boggs. Die Erfindung von Hollywood (Berenberg Verlag)

Marco Grosse: Die Grenze liegt am Horizont (Bernstein Verlag)

Patrick Deville: Äquatoria (bilgerverlag)

Emil Hakl: Regeln des lächerlichen Benehmens (Braumüller)

Dimitri Verhulst: Monolog einer Frau, die in die Gewohnheit verfiel, mit sich selbst zu reden (Covadonga Verlag)

Thomas Jonigk: Melodram (Literaturverlag Droschl)

Michael Guggenheimer: Tel Aviv – Hafuch Gadol und Warten im Mersand (Edition Clandestin)

Abbas Khider: Brief in die Auberginenrepublik (Edition Nautilus)

einzlkind: Gretchen (Edition Tiamat)

David Schönherr: Der Widerschein (Frankfurter Verlagsanstalt)

Saskia Hennig von Lange: Alles, was draußen ist (Jung und Jung)

Björn Bicker: Was wir erben (Verlag Antje Kunstmann)

Nelly Dix: Die Geschichte vom weitgereisten kleinen Teufel Eitel (Libelle Verlag)

Amy Hempel: Die Ernte (Luxbooks)

Stevan Paul: Schlaraffenland (mairisch Verlag)

Philip Hoare: Leviathan oder Der Wal (mareverlag)

Petra Kabus, Bernd Echte (Hrsg.): Das Wort und die Freiheit. Jean Paul. (Nimbus)

Sylvia Schenk: Bodin lacht (Picus Verlag)

Chris Ware: Jimmy Corrigan – Der klügste Junge der Welt (Reprodukt)

Lars Reyer: Magische Maschinen (Schöffling & Co.)

Ryu Murakami: Das Casting (Septime Verlag)

Astrid Dehe, Achim Engstler: Auflaufend Wasser (Steidl Verlag)

Jamaica Kincaid: Damals, jetzt und überhaupt (Unionsverlag)

Barbara Kalender & Jörg Schröder: Kriemhilds Lache (Verbrecher Verlag)

Nora Gomringer: Monster Poems (Voland & Quist)

Julia Deck: Viviane Élisabeth Fauville (Verlag Klaus Wagenbach)

Wsewolod Petrow: Die Manon Lescaut von Turdej (Weidle Verlag)

Buchtipps für den Sommerurlaub 2013

DSC_0048Sieben Bundesländer sind schon in den Sommerferien – es wird also Zeit, die Buchtipps für den Sommerurlaub auszugeben. Empfohlen werden nur bereits rezensierte Bücher, die sich als Urlaubslektüre anbieten. Für die bessere Übersicht sind die Tipps in Kategorien unterteilt.

Romane & Erzählungen

Ein toter Lehrer1. Simon Lelic: Ein toter Lehrer: Ein Lehrer geht in eine Schulvollversammlung und erschießt drei Schüler sowie eine Kollegin. Danach richtet er sich selbst. Das Motiv ist rätselhaft. Was wie der Beginn eines Krimis klingt, ist ein zutiefst erschütterndes menschliches Drama. Man sollte es gelesen haben.

Samuel Szajkowski ist der neue Geschichtslehrer an einer renommierten Londoner Schule. Dort hat er es von Anfang an schwer. Der ignorante Schulleiter stellt ihn nur ein, weil er “der am wenigsten unterqualifizierte einer wahrlich nicht begeisternden Truppe” von Bewerbern war. Der machohafte Sportlehrer der Schule schikaniert Szajkowski, wo es nur geht. Auch die Schüler gehen mit ihm nicht gerade zimperlich um. Schon in der ersten Schulstunde schlägt Ober-Rowdy Donovan den neuen Geschichtslehrer in die Flucht – weinend.

Man kann sicherlich behaupten, dass Szajkowski der Lehrerrolle nicht unbedingt gewachsen ist und er wahrscheinlich den falschen Beruf ergriffen hat, aber was den Leser wirklich tief erschüttert, ist nicht nur Szajkowskis Hilflosigkeit, sondern vor allem das Versagen der Schule, das sich nach und nach entrollt. Zur Rezension.

Simon Lelic: Ein toter Lehrer, Droemer Verlag, München, 2011, 349 Seiten, gebunden, 16,99 Euro, ISBN 978-3426198698
Knaur Taschebuch Verlag, München, 2012, 352 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro, ISBN 978-3426505199

Skippy stirbt2. Paul Murray: Skippy stirbt: Selten ist die Titelfigur eines Romans so schnell gestorben wie in Paul Murrays Zweitlings-Werk. Bereits auf Seite zwölf lässt der irische Schriftsteller seinen Helden das Zeitliche segnen, die restlichen 768 Seiten beschäftigen sich mit den Hintergründen von Skippys Tod. Der ist übrigens kein Känguru, sondern Schüler an einem altehrwürdigen katholischen Jungeninternat. Richtig heißt er Daniel Juster, wird von seinen Freunden wegen seiner vorstehenden Zähne aber nur „Skippy“ gerufen.

Skippy wohnt mit seinem besten Freund Ruprecht van Doren im Turmzimmer des Seabrook Colleges. Während Skippy sich für das Computerspiel „Hopeland“ begeistert, ist Ruprecht auf der Suche nach außerirdischer Intelligenz und stellt komplexe mathematische Gleichungen auf. Als sich Skippy jedoch in die wunderschöne, Frisbee-spielende Lori Wakeham vom Mädcheninternat gegenüber verliebt, gerät alles aus den Fugen. Zur Rezension.

Paul Murray: Skippy stirbt, Antje Kunstmann Verlag, München, 2010, 780 Seiten, broschiert im Schuber, 26 Euro, ISBN 978-3888977008
Goldmann Verlag, München, 2012, 784 Seiten, Taschenbuch, 12,99 Euro, ISBN 978-3442476954

Krimi, Thriller und all das

(c) Luchterhand Literaturverlag1. Austin Wright: Tony & Susan: Es ist ein Roman im Roman. Rund zwanzig Jahre lang hat Susan Morrow nichts von ihrem Exmann Edward gehört, da bekommt sie mit einem Mal einen Brief von ihm. Er bittet sie, sein Roman-Manuskript zu lesen. Die Neugier siegt: Sie liest es. Der Roman im Roman ist ein dramatischer und fesselnder Thriller: Edwards “Nachttiere” erzählt von dem Mathematikprofessor Tony Hastings, der mit seiner Frau und seiner Tochter auf dem Weg in den Urlaub ist.

In einer Szene, wie sie aus einer alten Stephen-King-Verfilmung stammen könnte, gerät er nachts auf einer einsamen Straße mit einem merkwürdigen Trio aneinander. Die drei in ihrem Buick drängen ihn von der Straße ab, entführen seine Frau und seine Tochter, vergewaltigen und ermorden sie. Was nach üblichem Thriller-Schema klingt, wird vielmehr zum verstörenden Psychogramm eines Mannes, dem die Realität mit all ihren Strukturen abhanden kommt, der sich verirrt. Zur Rezension.

Austin Wright: Tony & Susan, Luchterhand Literaturverlag, München, 2012, 414 Seiten, gebunden, 19,99 Euro, ISBN 978-3630873664

Die Namen der Toten2. Glenn Cooper: Die Namen der Toten: Alles deutet auf den perfiden Plan eines Serienkillers: Obwohl die Opfer sonst nichts miteinander gemein haben, erhalten sie alle einen Tag vor ihrem Tod eine schlichte, weiße Postkarte mit ihrer Adresse in schwarzer Maschinenschrift. Auf der Rückseite steht das Datum des nächsten Tages; daneben ist mit schwarzer Tinte ein Sarg gemalt.

In Las Vegas treibt sich derweil ein Mann namens Mark Shackleton herum, der in einer Identitätskrise steckt. Sein Alter Ego träumt davon, Drehbücher in Hollywood unterzubringen, und auch Mark Shackleton will endlich etwas Herausragendes bewirken.

Und dann sind da noch die anfangs verwirrenden Rückblicke in die Vergangenheit, die seltsam anmuten, aber für die Lösung des Falls unabdingbar sind. Hochspannend! Zur Rezension.

Glenn Cooper: Die Namen der Toten, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2009, 508 Seiten, Taschenbuch, 9,95 Euro, ISBN 978-3499249280

Rache verjährt nicht3. Reginald Hill: Rache verjährt nicht: Wilfred “Wolf” Hadda, ein einfacher Holzfäller, hat sich in die adelige Imogen verliebt, ihr Herz erobert und sie schließlich geheiratet. Mittlerweile ist er ein erfolgreicher Hedgefondsmanager mit einem millionenschweren Vermögen, einem Privatjet und mehreren Wohnsitzen, und er hat diese bezaubernde Frau an seiner Seite. Doch eines Morgens findet das alles ein jähes Ende.

Wolf wird verhaftet. Erst auf dem Polizeirevier erfährt er, dass er Kinderpornografie gehortet und verkauft haben soll. Als er nach sieben Jahren aus der Haft entlassen wird, zieht er zurück in die Wälder von Cumbria in Nordengland, wo alles seinen Anfang nahm, und macht sich daran, die Hintergründe seines Falls zu erforschen. Lesen, lesen, lesen! Zur Rezension.

Reginald Hill: Rache verjährt nicht, Suhrkamp Verlag, Berlin, 2012, 686 Seiten, gebunden, 19,95 Euro, ISBN 978-3518463901

Ganz klassisch

Das Phantom des Alexander Wolf1. Gaito Gasdanow: Das Phantom des Alexander Wolf: Ein junger Mann von 16 Jahren erschießt im russischen Bürgerkrieg einen Reiter. Noch Jahre später bedrückt ihn die Erinnerung daran. Doch eines Tages fällt ihm ein Buch in die Hände, in dem genau diese Szene beschrieben steht – aus der Sicht des vermeintlich Getöteten. Hat er überlebt? Der inzwischen erwachsen gewordene Erzähler macht sich auf die Suche nach einem Schriftsteller namens Alexander Wolf, der offenbar ihr gemeinsames Erlebnis aufgeschrieben hat.

Doch erst als er Heiligabend in einem russischen Restaurant einen Mann namens Wladimir Petrowitsch Wosnessenski kennenlernt, kommt er dem Phantom auf die Spur. Denn durch einen wahrhaft erstaunlichen Zufall kennt ausgerechnet Wosnessenski den geheimnisvollen Alexander Wolf. “Das Phantom des Alexander Wolf” ist eine Entdeckung für deutsche Leser. Zur Rezension.

Gaito Gasdanow: Das Phantom des Alexander Wolf, Hanser Verlag, München, 2012, 191 Seiten, gebunden, 17,90 Euro, ISBN 978-3446238534

Zärtlich ist die Nacht2. Francis Scott Fitzgerald: Zärtlich ist die Nacht: Dick und Nicole Diver sind auf den ersten Blick ein harmonisches Pärchen, das in den Roaring Twenties an der französischen Riviera ein mondänes, ausschweifendes Leben führt. In ihrer Villa gehen Künstler ein und aus, am Strand treffen sich die Reichen, die Schauspieler und Lebenskünstler, schlürfen Gin zur Mittagsstunde, gehen dann und wann im Mittelmeer schwimmen und sind stets bestrebt, den Tag und die Nacht bestmöglich zu genießen.

So trifft eines Tages auch die attraktive 18-jährige Schauspielerin Rosemary am Strand ein. Unbedarft und naiv verliebt sie sich sogleich in Dick Diver und will ihn unbedingt verführen. Sie hätte womöglich von ihrem Plan Abstand genommen, hätte sie gewusst, welches Geheimnis Dick und seine Frau Nicole verbergen. Und wie das alles enden würde.

Im Diogenes Verlag ist jetzt erstmals die ursprüngliche Fassung von 1934 erschienen, übersetzt von Renate Orth-Guttmann. Es ist ein Genuss. Zur Rezension.

Francis Scott Fitzgerald: Zärtlich ist die Nacht, Diogenes Verlag, Zürich, 2006, 553 Seiten, gebunden, 24,90 Euro, ISBN 978-3257065213
Diogenes Verlag, Zürich, 2007, 552 Seiten, Taschenbuch, 11,90 Euro, ISBN 978-3257236958

Draculas Erben

Die Radleys1. Matt Haig: Die Radleys: Die Radleys sind alles andere als eine normale Familie – sie sind Vampire. Siebzehn Jahre lang haben die Eltern Helen und Peter ihr Geheimnis für sich behalten können. Doch nachdem ihre Tochter Clara auf einer Party einen zudringlichen Mitschüler in Notwehr zu Tode beißt, müssen sie ihr und ihrem Bruder Rowan die erschütternde Wahrheit offenbaren: Sie sind abstinente Vampire, die sich bisher dem Blutdurst verweigert und der Gesellschaft angepasst haben.

Es ist wohl vor allem dem tiefschwarzen Humor des britischen Autors zu verdanken, dass dieser Roman nicht als einer der “Twilight”-Nachahmer gehandelt werden muss. Wer allerdings spannungsgeladene, bluttriefende Seiten erwartet, wird enttäuscht werden. “Die Radleys” ist kein Reißer mit Reißzähnen, sondern ein vergnüglicher Trip mit skurrilen Einfällen. Zur Rezension.

Matt Haig: Die Radleys, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2010, 429 Seiten, gebunden, 19,95 Euro, ISBN 978-3462042337;
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek, 2012, 432 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro, ISBN 978-3499255274

Graphic Novel

Coney Island Baby1. Nine Antico: Coney Island Baby: Bettie Page und Linda Lovelace sind zwei der berühmtesten amerikanischen Sex-Ikonen. Die französische Zeichnerin Nine Antico erzählt in ihrer großartigen Doppelbiografie von der Karriere dieser beiden Frauen, aber auch vom Wesen und Unwesen der Pornoindustrie. Mit Respekt, aber auch mit dem nötigen Abstand.

Die nüchternen schwarz-weißen Zeichnungen zeigen die Wege der beiden Frauen in ihrem gesellschaftlichen und historischen Kontext. Und obwohl das Buch erst ab 18 empfohlen wird und einige sexuelle Passagen zu sehen sind, wird es nie schlüpfrig oder unangenehm. Das Buch erregt viel weniger, als dass es erschüttert. Zur Rezension.

Nine Antico: Coney Island Baby, Verlag bbb Edition Moderne, Zürich, 2011, 232 Seiten, broschiert, 26 Euro, ISBN 978-3037310731

Für Kind und Kegel

Wildwood1. Colin Meloy/Carson Ellis: Wildwood: Als die zwölfjährige Prue nur einen Moment nicht aufpasst, geschieht das Unfassbare: Ein Schwarm Krähen greift sich ihren kleinen Bruder Mac und fliegt mit ihm in die “Undurchdringliche Wildnis” jenseits der Stadt. Die mutige Prue zögert nicht lang und macht sich auf, ihren Bruder zu retten. So beginnt eines der derzeit schönsten Kinder- und Jugendbücher: “Wildwood”, geschrieben von Colin Meloy und zauberhaft illustriert von dessen Frau Carson Ellis.

Mit ihrem Klassenkameraden Curtis macht sich Prue auf, ihren kleinen Bruder aus den Fängen der Krähen zu retten. Auf ihrer Reise erleben sie noch viel eigentümlichere Dinge. Phantasievoll und mit Witz erzählen Meloy und Ellis ein skurriles Märchen über gefiederte Freunde, eine böse Hexe, Kojoten und Räuber. Es geht um Macht, Magie und Politik. Zur Rezension.

Colin Meloy/Carson Ellis: Wildwood, Heyne Verlag, München, 2012, 591 Seiten, gebunden, mit sieben Farbtafeln und 30 Schwarz-weiß-Illustrationen, 19,99 Euro, ISBN 978-3453267145

(c) Aufbau Verlag: Die Nacht von Shyness2. Leanne Hall: Die Nacht von Shyness: Als Nia in der Diskothek des “Diabetic Hotels” einen jungen Typen mit John-Travolta-Frisur kennenlernt, der nur unter dem Namen Wolfboy bekannt ist, beginnt die wohl schrägste Nacht ihres Lebens. Denn Wolfboy kommt aus dem Stadtviertel Shyness, wo die Sonne niemals aufgeht. Dort herrscht stets völlige Dunkelheit, und in den Straßen sind allerlei zwielichtige Gestalten unterwegs. “Die Nacht von Shyness” – nicht nur für Jugendliche ein ganz und gar ungewöhnliches Buch, das unbedingt nachts gelesen werden sollte. “Shyness” ist kein Fantasy-Buch, und doch strotzt es vor Phantasie.

Der Autorin ist eine besondere Art der Dystopie gelungen: Ein Stadtviertel, in dem seit fast drei Jahren die Sonne nicht mehr scheint, während in anderen Vierteln alles seinen gewöhnlichen Gang geht, zuckersüchtigte Kinderbanden, die von kleinen Affenhorden begleitet werden, sowie ein Psychiater, der offenbar einen rätselhaften Plan verfolgt – und niemand weiß den Grund für die plötzliche Dunkelheit. Zur Rezension.

Leanne Hall: Die Nacht von Shyness, Aufbau Verlag, Berlin, 2012, 280 Seiten, gebunden, 16,99 Euro, ISBN 978-3351041540

Sachgeschichten

Pulphead1. John Jeremiah Sullivan: Pulphead: John Jeremiah Sullivans Reportagen aus der Neuen Welt übertreten in außergewöhnlicher Weise die Grenze zwischen Literatur und journalistischer Berichterstattung. Sie sind scharfsinnig, nahegehend, manche mit feinem Witz, ohne zu spotten, insgesamt ganz und gar erstaunlich.

Seine Herangehensweise ist stets direkt und ehrlich, seine Themen sind vielfältig: Das Reality-Fernsehen, ein Besuch im vom Hurrikan Katrina zerstörten New Orleans, Robert Johnson und die Wurzeln der Country-Blues-Musik, Disney-Land sowie eine Audienz bei Bunny Wailer, dem letzten noch lebenden Mitglied von Bob Marleys erster Band. Sullivan ist nicht nur Wissensvermittler und sturer Protokollant, seine Texte sind an keiner Stelle überheblich, sondern strotzen vor Lust am Erleben. Er ist ein Reportage-Hedonist. Zur Rezension.

John Jeremiah Sullivan: Pulphead, Suhrkamp Verlag, Berlin, 2012, 416 Seiten, Taschenbuch, 20 Euro, ISBN 978-3518068908

Seitengang wünscht viel Spaß beim Lesen und einen schönen Urlaub!