Ein klassischer Kriminalroman ist Silvina Ocampos und Adolfo Bioy Casares‘ Roman „Der Hass der Liebenden“ nicht, obwohl er von kräftigen Anleihen bei Agatha-Christie-Romanen zeugt. Skurril, phantastisch, bildungsbügerlich und ironisch kommt er daher und ist unbedingt zu empfehlen.
Eine illustre Gesellschaft ist das, die sich in einem kleinen Hotel an der argentinischen Atlantikküste begegnet. Der Erzähler, Dr. Humberto Huberman, arsensüchtiger Arzt und Schriftsteller, hofft auf Ruhe und Muße, um den „Satyricon“ zu übersetzen. Stattdessen aber muss er alsbald diagnostizieren, dass eine junge Frau, die mit ihrer Schwester und zwei Männern ebenfalls im Hotel genächtigt hat, an einer Strychninvergiftung gestorben ist. Es eilen herbei: Kommissar Raimundo Aubry, der Polizeiarzt Dr. Cecilio Montes und – ein Sandsturm, der das Hotel fortan von der Außenwelt abschneidet.
Wo Agatha Christie Schnee wirbeln ließ, um ihre Kriminalstücke nur auf einen Ort zu beschränken („Die Mausefalle“, „Mord im Orientexpress“), so ist es bei Ocampo und Casares der Sand, der dem Täter die Flucht unmöglich macht. Die Folgen sind absehbar: Jeder verdächtigt jeden. Und der Leser macht munter mit, führt doch jede Spur, die der Ich-Erzähler auslegt, unweigerlich in die Irre, als fege der Wind auch dem Leser immer wieder Sand in die Augen. Es folgen Verwirrungen und Verirrungen, Eifersüchteleien, Schmuck verschwindet, falsche Fährten tauchen auf und versinken wieder.
Mondäne Sprachgewalt
Was diesen Roman abseits der Geschichte ausmacht, ist vor allem seine mondäne Sprachgewalt und die Anforderung an den Leser, sich der literarischer Bildung des Erzählers zu stellen. 40 Fußnoten für 166 Seiten Romanstoff sind nicht wenig, aber es lohnt sich, sie zu lesen. Ganz zum Schluss sei dem Leser noch das Nachwort von Heinrich Steinfest anempfohlen, das tatsächlich erst nach dem Roman genossen werden sollte, da es den Täter verrät.
„Der Hass der Liebenden“ liegt mit der Ausgabe des Manesse-Verlags erstmals auf Deutsch vor. Es ist das einzige gemeinsame Werk von Ocampo und Casares. Berühmt geworden ist vor allem Casares, den eine Freundschaft mit dem großen Jorge Luis Borge verband, mit dem er auch mehrere Bücher schrieb. Das wohl am weitesten verbreitete Buch Casares‘ ist „Morels Erfindung“, das auch die Macher der US-amerikanischen Fernsehserie „Lost“ inspiriert hat. Welchen Filmemacher „Der Hass der Liebenden“ auch immer inspirieren möge, es könnte ein phantastisches Kammerspiel werden.
Silvina Ocampo/Adolfo Bioy Casares: Der Hass der Liebenden, Manesse Verlag, Zürich, 2010, 192 Seiten, mit Lesebändchen und einem Nachwort von Heinrich Steinfest, gebunden, 18,95 Euro, ISBN 978-3717522126

Schon seit Jahren steht das Foto seines verstorbenen Vaters im Bücherregal seines Zimmers, aber erst an einem Mittwoch in den Herbstferien wird der 17-Jährige neugierig, wer sein Vater war und warum er Selbstmord beging. Der Anfang einer Spurensuche zur Zeit einer verbohrten Gesellschaft.
Der Kalte Krieg war gerade auf einem seiner Höhepunkte, als in London der britische Kriegsminister John Profumo über eine Affäre mit dem Fotomodel Christine Keeler stürzte, die gleichzeitig eine Liebelei mit dem sowjetischen Marineattaché Jewgenij Iwanow hatte. Als Gewährsmann galt der High-Society-Osteopath Dr. Stephen Ward, der nicht nur mit Profumo, sondern auch mit Iwanow, Keeler und allerlei anderen britischen Stars und Sternchen verkehrte und einen Ruf als schillernder Lebemann hatte.
Wenn der Leser die erste Seite aufschlägt, ist Jack gerade fünf Jahre alt geworden: „Heute bin ich fünf. Als ich gestern Abend in Schrank eingeschlafen bin, war ich noch vier.“ Schrank steht in Raum. Und in Raum wohnen Ma und Jack – auf 12 Quadratmetern. Raum ist Jacks ganze Welt. Und es ist gleichzeitig einer der verstörendsten, beeindruckendsten Bücher der vergangenen Jahre.
Paris im Jahr 1931: Hugo Cabret ist ein wundersamer Junge, der versteckt hinter den dicken Mauern des Bahnhofs Montparnasse lebt. Wenn er nicht gerade die Bahnhofsuhren aufzieht, auf dass sie weiterlaufen können, tüftelt er an einem Geheimnis, das er von seinem Vater übernommen hat: Der mechanische Mann.