Selten ist die Titelfigur eines Romans so schnell gestorben wie in Paul Murrays Zweitlings-Werk. Bereits auf Seite zwölf lässt der irische Schriftsteller seinen Helden das Zeitliche segnen, die restlichen 768 Seiten beschäftigen sich mit den Hintergründen von Skippys Tod. Der ist übrigens kein Känguru, sondern Schüler an einem altehrwürdigen katholischen Jungeninternat. Richtig heißt er Daniel Juster, wird von seinen Freunden wegen seiner vorstehenden Zähne aber nur „Skippy“ gerufen.
Zunächst aber fällt die außergewöhnliche Gestaltung des Buches auf: In einem bunt bemalten Schuber stecken drei Taschenbücher, die den Roman in die drei Teile „Hopeland“, „Heartland“ und „Ghostland“ unterteilen. Auf einem Lesezeichen werden die wichtigsten Personen kurz beschrieben. Selten, dass sich ein Verlag derartige Mühe gibt, schönen Worten ein so kunstvolles Äußeres zu geben. Und schlägt der Leser die ersten Seiten auf, versinkt er in der Fabulierlust des jungen irischen Autors.
Skippy wohnt mit seinem besten Freund Ruprecht van Doren im Turmzimmer des Seabrook Colleges. Während Skippy sich für das Computerspiel „Hopeland“ begeistert, ist Ruprecht auf der Suche nach außerirdischer Intelligenz und stellt komplexe mathematische Gleichungen auf. Als sich Skippy jedoch in die wunderschöne, Frisbee-spielende Lori Wakeham vom Mädcheninternat gegenüber verliebt, gerät alles aus den Fugen.
Das erste, zarte Gefühl von aufflammender Liebe
Und dann funkt ihm auch noch Carl Cullen, Schulpsychopath und Drogendealer, dazwischen, der auch ein Auge auf Lori geworfen hat und mit allen Mitteln versucht, sie für sich zu gewinnen. Murray erzählt von dicken Freundschaften, dem ersten, zarten Gefühl von aufflammender Liebe, aber auch von der Flucht vor den Erwartungen der Lehrer und Eltern sowie von der Suche nach der eigenen Persönlichkeit.
Auch die Lehrerschaft hat ihr Päckchen zu tragen: Den frustrierten Geschichtslehrer Howard Fallon und den überengagierten Schwimmtrainer Tom Roche verbindet eine alte, tragische Geschichte, als beide selbst noch Schüler des Seabrook Colleges waren. Und so ganz nebenbei soll das altehrwürdige Internat modernisiert und nicht länger vom katholischen Orden geleitet werden.
Bei all dem skurrilen Humor, mit dem hier geschrieben und beschrieben wird, bleibt dem Leser dann und wann das Lachen im Hals stecken, denn auch am Seabrook College geschehen Dinge, über die der Orden lieber den Teppich des Schweigens hüllt.
„Skippy stirbt“ ist ein Buch zum Lachen und Leiden, das man kaum aus der Hand legen mag. Und ist die letzte Seite gelesen, braucht es etwas Zeit, bis man es loslässt. Aber dann möchte man gleich wieder von vorne beginnen.
Paul Murray: Skippy stirbt, Antje Kunstmann Verlag, München, 2010, 780 Seiten, broschiert im Schuber, 26 Euro, ISBN 978-3888977008
Goldmann Verlag, München, 2012, 784 Seiten, Taschenbuch, 12,99 Euro, ISBN 978-3442476954
Hinweis: Diese Rezension ist auch erschienen in der Neuen Westfälischen Zeitung von Samstag/Sonntag, 2./3. April 2011, Nr. 78/13, 201. Jahrgang, hier: Magazin, S. 5

Man kann es nicht anders sagen: Das ist ein krasses Buch! Die englische Autorin Deborah Kay Davies macht es dem Leser nicht einfach, die Protagonistin ihres Debütromans ins Herz zu schließen. Im Gegenteil – man ist geneigt, diese Frau zu rütteln und zu schütteln, auf dass sie endlich aufwacht und erkennt, was für einem Mistkerl sie erlegen ist.
Es ist ein gefährliches Buch. Ja, fürwahr, denn wenn Männer wüssten, was darin geschrieben steht, wäre es eines der meist gekauften Bücher, die sie ihren Partnerinnen gerne mit einem schelmischen Lächeln aufs Kopfkissen legen. Mit dem kleinen Hinweis: „Schatz, ich habe dir ein Buch gekauft.“ In der Hoffnung, dass das Lesen Wirkung zeigt. Denn was Alina Reyes in ihrem dünnen Büchlein „Tagebuch der Lust“ beschreibt, wird bei vielen Männern offene Türen einrennen. Triebgesteuert sind sie, die Männer. Das sagt man ihnen nach. Und so werden sie in atemloser Hast das Büchlein schnell durchgeblättert haben, auf der Suche nach Reizwörtern, die ihnen Lust verschaffen. Phantasien ins Kopfkino schicken. Derer gibt es viele auf den wenigen Seiten. Aber man(n) sollte sie schon genießen, Wort für Wort lesen und sich an ihrer Sprache laben.