Axel Hacke, der Journalist und Autor solcher Bucherfolge wie „Der weiße Neger Wumbaba“ und zuletzt „Oberst von Huhn bittet zu Tisch“ sagt von sich selbst, er sei kein Fußball-Fan, sondern lediglich Fußball-Freund. Denn das Fansein sei ihm fremd.
Doch die Begeisterung für den Fußballsport ist ihm in seiner Heimatstadt Braunschwein gleichsam in die Wiege gelegt worden. Als Erweckungserlebnis nennt er das Jahr 1967, jenes historische Jahr, als Eintracht Braunschweig zum ersten und bisher letzten Mal Deutscher Meister wurde. Da war Axel Hacke 11 Jahre alt. „So ein Ereignis kann einen Jungen in dem Alter prägen“, sagt Hacke.
Peter Kaack als Panini-Bild
Er erzählt von dem Panini-Album, in dem ihm damals nur noch ein einziges Klebebildchen fehlte: Das von Peter Kaack, jenem tragischen Eintracht-Spieler, der beim Europapokalspiel gegen Juventus Turin (Saison 1967/68) drei Treffer erzielte – zwei davon jedoch Eigentore. Und ausgerechnet das Klebebildchen dieses tragischen Helden der Eintracht fehlte im Panini-Album von Axel Hacke.
40 Jahre später schrieb er darüber einen Beitrag in seiner Kolume in der Süddeutschen Zeitung. „Tage später mache ich meine Post auf, und da flattert mir ein von Kaack signiertes Bild entgegen – da war ich sehr gerührt.“
Und es sind auch andere tragische Ereignisse, die den jungen Hacke in seiner Fußballwahrnehmung prägen. Als 1968 der Eintracht-Spieler Jürgen Moll und dessen Frau bei einem schweren Verkehrsunfall ums Leben kommen, war das der „erste große Schock in meiner Kindheit“. „Ich erinnere mich noch: Da erschien die Braunschweiger Zeitung sogar mit einem Extrablatt, das war ein ganz schöner Schlag für die Stadt und für mich.“ Noch heute rühre ihn die Geschichte zu Tränen.
„Ich mag den ungeschminkten Größenwahn“
Dann aber kommt Moderator Peter Unfried auf Bayern München zu sprechen: „Sie sind jetzt Bayern-Fan.“ Darauf Hacke: „Äh, nein, ich weigere mich, Fan zu sein, aber ich mag den ungeschminkten Größenwahn des Vereins und seine Art, dazu zu stehen und solchen Fußball zu spielen wie jetzt.“
Unfried fragt auch nach Hackes Reaktion auf den Fall Hoeneß. Hacke antwortet: „Ich bin dafür, auch die Kompetenz von Menschen zu sehen. Er ist ja kein Unmensch. Ja, er hat Steuern hinterzogen, und dafür geht er jetzt ins Gefängnis, aber kein Mensch ist nur gut oder nur böse, und das gilt auch für Hoeneß. Diese Häme, die jetzt über ihm ausgeschüttet wird, ist mir fremd.“
Auch der Frauenfußball ist Hacke fremd: „Ich mag keinen Frauenfußball, ich weiß aber auch nicht, was daran so schlimm ist, ich meine, es gibt ja auch viele Frauen, die auf Frauenfußball stehen, aber keinen Männerfußball mögen.“ Natürlich finde er das „super“, dass Frauen Fußball spielen. „Aber ich mag nun mal das Niveau der Bundesliga der Männer.“
Verzweifelungstaten gegen Bayern
Internationalen Fußball dagegen hält der Journalist für „langweilig“. Barcelona habe lange langweiligen Fußball gespielt. Aber auch das Champions-League-Spiel der Bayern gegen Arsenal am vergangenen Dienstag habe ihn bald gelangweilt, obwohl Bayern München in der ersten Halbzeit „unfassbar überlegen“ gewesen sei. Arsenals Bälle dagegen seien nur „Verzweifelungstaten gegen das perfekte Spiel der Bayern“ gewesen. Das Spiel endete 1:1 (0:0).
Hacke geht in seinem neuen Buch der Frage nach, was die Schönheit des Fußballs ausmacht. Im Gespräch bei der taz sagt er, ihn interessiere eher die Einzelleistung eines Spielers, nicht die Teamleistung. Maradona etwa habe ein ganzes Team ausgemacht. „Das waren Genies!“ Heute zähle aber mehr die Mannschaftsleistung.
„Mir ist die Austauschbarkeit von Spielern in diesen Teams suspekt.“ Wer etwa bei Bayern München einen Spieler vom Platz nehme und durch einen anderen ersetze, könne sicher sein, dass sich das Rädchen perfekt einfüge. „Früher gab es mehr Irre auf dem Platz – so wie Zlatan Ibrahimović heute“, erklärt er.
Abschließende Frage im taz-Studio: Können wir mit Jogi Weltmeister werden? Hacke antwortet schwammig. „Man gibt die Hoffnung ja nicht auf.“ Und: „Das Problem ist, dass so viele Spieler verletzt sind.“ Und weiter: „Hinterher kann man dann immerhin sagen, es lag daran, dass so viele verletzt sind.“ Der taz-Chefreporter Unfried besteht aber auf eine eindeutige Antwort. Doch Hacke floskelt nur: „Deutschland ist eine Turniermannschaft.“ Er bleibt die Antwort schuldig.
Axel Hacke: Fußballgefühle, Antje Kunstmann Verlag, München, 2014, 176 Seiten, gebunden, 16 Euro, ISBN 978-3888979330
Im Forum autoren@leipzig erzählt der heute 21-jährige Jungautor, wie er zum Schreiben kam: „Wenn man viel liest, will man irgendwann selber schreiben.“ Er sei beim Lesen oft böse auf die Autoren gewesen, weil sie nie ihre Geschichte so erzählt haben, wie er sie gerne gelesen hätte. „Deshalb musste ich anfangen, meine eigenen Geschichten zu erzählen.“
Mit einem bewundernswerten Selbstbewusstsein erklärt er, er habe zuvor viele andere Bücher geschrieben. „Die waren dann immer weniger schlecht.“ Und schließlich habe er sich an „Die Seltsamen“ gemacht (im Original: „The Peculiar“). Erst wenn seine Mutter und seine Schwester ein Kapitel gelesen und für gut befunden hatten, schrieb er weiter. Andernfalls schrieb er es um.
„Ich habe jedes Mal versucht, es besser zu machen“
Der 1993 in Boulder, Colorado, geborene Bachmann lebt seit seinem elften Lebensjahr in Zürich, schrieb seinen Roman jedoch auf Englisch und dachte nicht daran, ihn auf Deutsch zu veröffentlichen. Stattdessen schickte er sein Manuskript an amerikanische Agenten. Eins nach dem anderen. „Wenn die Absage kam, habe ich jedes Mal versucht, es besser zu machen.“ Dann schickte er das Manuskript an den nächsten Agenten. Bis eine Agentin das Potential erkannte und zuschlug.
„Die Seltsamen“ sind Mischlinge, halb Mensch, halb Feenwesen. Und Bartholomew Kettle ist ein solcher Mischling. Seit einiger Zeit verschwinden die Mischlinge aus London und werden nicht mehr gesehen. Als Bartholomew sich auf die Suche nach seiner Schwester macht, beginnt eine eigentümliche Geschichte, die schon mit jenen von Charles Dickens verglichen wurde.
Dass Bachmann mit einem solchen Namen der Weltliteratur in einem Atemzug genannt wird, erklärt sich der Schüler jedoch so: „Wenn man jung ist, hat man weniger im Kopf, dann ist der Stil noch ähnlich der gelesenen Bücher.“
„Ja, das nervt sicherlich alle“
In den Feuilletons wird dem Wunderkind am häufigsten vorgeworfen, dass sein Buch an der spannendsten Stelle aufhöre. Bachmann hat dafür durchaus Verständnis: „Ja, das nervt sicherlich alle, aber für mich war es klar, dass es zwei Bände geben wird, aber dann ist auch wirklich Schluss.“
Ob aus dem jungen Mann nun tatsächlich ein Schriftsteller mit eigenem Stil wird oder nach zwei Büchern auch die kurze Schreib-Karriere ein Ende hat, wird sich zeigen. Denn der 21-Jährige will eigentlich Filmkomponist werden. Dafür studiert er seit seinem elften Lebensjahr am Zürcher Konservatorium Orgel und Komposition. Für den Online-Buchtrailer hat er die Musik komponiert.
Zu „Die Seltsamen“ wird beizeiten eine Seitengang-Rezension erscheinen.
Stefan Bachmann: Die Seltsamen, Diogenes Verlag, Zürich, 2014, 368 Seiten, gebunden, 16.90 Euro, ISBN 978-3257068887