Miteinander reden 4

In diesem SommerJedes Jahr am 14. Juli treffen sich drei befreundete Paare in einem Haus an der Küste der Normandie. Davon könnten viele französische Bücher und vor allem Kino-Filme herrlich tragikomisch erzählen, Véronique Olmis Roman „In diesem Sommer“ aber ist ein bitterer Abgesang auf langjährige Beziehungen, ein mit Schärfe herausgearbeiteter Stoff über die Laster und Lasten von Freunden und Paaren.

Diesmal sind sie zu zehnt. Alex und Jeanne, die beiden Kinder der Gastgeber Delphine und Denis, haben noch je einen Schulfreund mitgebracht – sonst wären sie gar nicht erst mitgekommen. Delphine ist das alles nur recht, denn sie braucht Abstand von ihrem Mann. „Sie brauchte Leute, so viele Leute wie möglich zwischen sich und Denis.“ Und so beginnt schon auf der ersten Seite das ungute Gefühl, dass dieser Kurz-Trip keine herrlich leichte Kost für Fans französischer Filme sein wird.

In kurzen Episoden erzählt Olmi zunächst von der Anreise der drei Paare und stellt sie und ihre Lebenssituation vor. Lola, die ehemalige Kriegsberichterstatterin, die jedes Jahr mit einem neuen Freund an die Küste fährt, hat dieses Jahr den zwölf Jahre jüngeren Samuel an ihrer Seite, den sie mehr als Kind, denn als Partner sieht. Samuel will in diesen Tagen nicht nur die Beziehung mit Lola verstärken, sondern auch bei ihren Freunden einen guten Eindruck hinterlassen und sich in das große Miteinander einbringen. Er ist überschäumend verliebt und hoffnungsfroh.

Als Schauspielerin erniedrigt

Nicolas reist mit Marie an, die gerade 52 Jahre alt geworden ist und sich als Schauspielerin erniedrigt fühlt, weil ihr wiederholt eine Rolle als Großmutter angeboten worden ist. Währenddessen ahnt sie nicht, dass Nicolas an den seelischen Folgen eines tragischen Erlebnisses leidet.

Delphine ist vierzig Jahre alt, eine gutaussehende Frau, von den Männern begehrt, von ihrem Mann Denis verdächtigt, den Avancen des einen oder anderen auch zu erliegen, weil ihre Ehe nur noch die äußere Hülle eines inneren Nichts ist. In manchen Momenten findet Delphine ihren Mann noch immer schön, doch ihr fehlt die Zärtlichkeit, die Zweisamkeit.

Olmis Roman ist gelebte Kommunikationspsychologie. Hier wird zu wenig geredet. Man versteht sich oberflächlich, aber die Gefühle, die Probleme bleiben unerwähnt, unter den Partnern, aber auch unter den Freunden. Es braucht nicht mal kleine spitze Bemerkungen, um ein Gespräch eskalieren zu lassen. Wenn Friedemann Schulz von Thun, bekannt für seine Bücher „Miteinander reden 1-3“, einen Roman geschrieben hätte, es hätte dieser sein können, wenn er die dramaturgische Stärke einer Véronique Olmi besäße.

In Frankreich ist Olmi, als eine der bekanntesten Dramatikerinnen des Landes, für ihre Arbeit bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet worden. Mit „In diesem Sommer“ legt sie einen an die Seele gehenden Roman vor, der zwar auch von Längen gezeichnet ist, aber letztlich ein gutes, mit sachlicher Verständlichkeit werbendes Lehrstück ist.

Véronique Olmi: In diesem Sommer, Verlag Antje Kunstmann, München, 2012, 271 Seiten, gebunden, 18,95 Euro, ISBN 978-3888977763

Ruby und die Liste

Ruby hat es in diesen Tagen nicht leicht. Seitdem ihre Liste mit den 15 Jungennamen, die eigentlich für ihre Seelenklempnerin gedacht war, in der Schule aufgetaucht ist und dort kursiert, spricht ihre beste Freundin nicht mehr mit ihr, Ruby wird als berüchtigte Schlampe abgestempelt und eine Panikattacke folgt der nächsten. Wie dieser ganze Schlamassel passieren konnte, davon sollte man sich in „15 Jungs, 4 Frösche + 1 Kuss“ überzeugen.

Dass es mit 15 Jahren nicht unbedingt üblich ist, schon eine Seelenklempnerin zu haben, ist Ruby auch klar. Aber ihre ziemlich schrägen und besorgten Eltern sind der Meinung, anders sei ihren Panikattacken nicht zu begegnen, als sie in die Obhut einer Psychologin zu geben. „Die Liste war eine Hausaufgabe für meine geistige Gesundheit. Doktor Z sagte, ich solle alle Freunde, So-was-Ähnliches-wie-Freunde, Fast-Freunde, Gerüchteweise-Freunde und Erträumte-Freunde, die ich je gehabt hatte, aufschreiben.“ Es wird eine Liste mit 15 Jungennamen, angefangen mit Adam („aber der zählt nicht“) über Sky („aber er hatte eine andere“) bis Cabbie („aber da bin ich unentschlossen“).

15 Jungs, 15 Kapitel. Und die sind herrlich kess und aufrichtig erzählt, mit jenen Problemen des ersten Verliebtseins, dazu anstrengende, geradezu peinliche Eltern sowie Freundschaften, die auf Belastungsproben gestellt werden. Es ist sicherlich eher ein Buch für Mädchen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren, aber möglicherweise liest es auch heimlich der eine oder andere Junge und weiß danach besser Bescheid über dieses Mädchen-und-Jungs-Ding.

Der übliche Text reicht nicht aus

Doch Emily Lockhart hat mit Ruby nicht nur eine famose Figur erschaffen, sondern bringt den jungen Lesern auch noch das Fußnotenlesen bei, denn Ruby hat so viel zu erzählen, dass der übliche Text nicht aureicht und sie ihn teilweise mit Fußnoten am Ende der Seite ergänzen muss. Zum Verständnis des Buches müssen die Anmerkungen zwar nicht gelesen werden, aber sie bieten interessante Hintergrundinformationen. Sehr schöne Idee!

Wer mehr über die amerikanische Autorin Emily Lockhart erfahren möchte, dem sei ihr englischsprachiger Blog sowie ihre ebenfalls englischsprachige Homepage empfohlen. Dort erfährt man nicht nur, welche Bücher sie wie verrückt geliebt hat, als sie selbst 14 Jahre alt war, sondern auch, dass sie Autorin werden wollte, seitdem sie acht Jahre alt ist. Und dass ihre Lieblings-Eissorte Häagen Dazs dulce de leche ist. Oder dass sie schon einmal mit Stachelrochen geschwommen ist. Herrlich! Einfach mal reinlesen.

Der erste Teil von Rubys Erlebnissen („15 Jungs, 4 Frösche + 1 Kuss“) ist bereits 2009 erschienen, die Fortsetzung („Ruby, die Jungs und wie man sie zähmt“) wurde im Juni 2012 veröffentlicht. Ein dritter Band soll im Dezember 2012 folgen. Man darf also auf weitere schräge Geschichten von Ruby gespannt sein. Mädchen (und Jungs): lesen!

Emily Lockhart: 15 Jungs, 4 Frösche + 1 Kuss, Carlsen Verlag, Hamburg, 2009, 285 Seiten, Taschenbuch, 9,95 Euro, ISBN 978-3551357748, vom Verlag empfohlenes Alter: 13 bis 16 Jahre
Emily Lockhart: Ruby, die Jungs und wie man sie zähmt, Carlsen Verlag, Hamburg, 2012, 256 Seiten, Taschenbuch, 9,95 Euro, ISBN 978-3551311337, vom Verlag empfohlenes Alter: 13 bis 16 Jahre

Kein Leben ohne Dorine

Fünf Jahre ist es her, dass André Gorz sein letztes Buch „Brief an D.“ auf Deutsch veröffentlichte und sich mit seiner schwerkranken Frau Dorine das Leben nahm. Zeit, dieses zutiefst berührende Buch einer öffentlichen Liebeserklärung wieder zur Hand zu nehmen und sich an den bedeutenden Sozialphilosophen zu erinnern.

„Soeben bist Du zweiundachtzig geworden. Und immer noch bist Du schön, anmutig und begehrenswert. Seit achtundfünfzig Jahren leben wir nun zusammen, und ich liebe Dich mehr denn je“, schreibt Gorz in seinem mit „Geschichte einer Liebe“ untertitelten Buch. Und dann, auf dem letzten Blatt des 84 Seiten langen Briefes: „Jeder von uns möchte den anderen nicht überleben müssen.“ Ein Wunsch, den Liebende oft verspüren, von dem die meisten in der letzten Konsequenz aber doch Abstand nehmen. Denn die schwerwiegende Entscheidung des Überlebenden kann nur bedeuten, den Freitod zu wählen. André Gorz und seine Frau Dorine haben diesen Entschluss gefällt. Am 22. September 2007 nahmen sich die beiden in ihrem Haus im französischen Vosnon (Region Champagne-Ardenne) das Leben.

„Brief an D.“ ist eine Berichtigung. Es ist die Korrektur seiner im Jahr 1958 beschriebenen Darstellung der Beziehung zu seiner Frau Dorine. In seiner Autobiographie aus jenem Jahr (auf Deutsch erst im Jahr 1980: „Der Verräter“) hat er ihr den verfremdenden Namen „Kay“ gegeben und sie als bemitleidenswertes Wesen dargestellt, das „niemanden kannte, kein Wort Französisch sprach, sich ohne mich zugrunde gerichtet hätte“. Kurzum: Er schrieb sie klein, während er sich bereits mit seinen Arbeiten einen Namen als Sozialphilosoph machte. Gorz fragt sich selbst eingangs des Briefes, warum er Dorine so entstellt: „Warum aber ist dort keine Rede von der wunderbaren Liebesgeschichte, die wir sieben Jahre zuvor zu leben begonnen hatten?“ Vielleicht war er zu sehr vom Existentialismus seines Freundes und Förderers Jean-Paul Sartre durchdrungen? Eine Antwort gibt Gorz nicht, nicht expressis verbis. Im „Brief an D.“ klingt aber der Versuch einer solchen an.

„Fast wie ein coup de foudre“

Der junge André Gorz, ein österreichischer Jude, begegnet der aus Schottland stammenden Dorine Ende Oktober 1947 in Lausanne, wo er unter dem Namen Gérard Horst die Kriegsjahre in Internaten verbracht hatte und so der Verfolgung durch die Nazis entkommen war. Die Begegnung mit Dorine beschreibt Gorz als „fast wie ein coup de foudre“. Bei der ersten Unterhaltung begeistert sie ihn mit ihrer Belesenheit und ihrem Wissen über die britische Politik. Sie fordert und fördert ihn. Wird er arbeitslos, nimmt sie eine weitere Stelle an. Sie erträgt es, dass er tagelang schweigt und schreibt. Denn: „Einen Schriftsteller lieben heißt lieben, dass er schreibt, sagtest Du. ‚Also schreib!'“ André und Dorine Gorz stehen zueinander, in guten wie in schlechten Tagen. Dabei hatte er die Ehe zuvor stets für eine bourgeoise Institution gehalten.

Als die Ärzte feststellen, dass Dorine unheilbar krank ist, dass es für ihre fortschreitenden Schmerzen keine Behandlungsmöglichkeit gibt, dass sie „von der Medizin (…) nichts mehr zu erwarten“ hat, bleibt sie die Starke, die Kämpferische. Aus seinen Worten spricht tiefe Bewunderung. Seine bisherigen Essays und Schriften über die politische Ökologie werden jetzt durch kritische Texte zur Apparatemedizin und Dossiers zur Alternativmedizin ergänzt.

„Ich kann mir nicht vorstellen, weiter zu schreiben, wenn du nicht mehr bist.“ Ja, es läuft alles auf den letzten gemeinsamen Willen hinaus. Doch nicht nur deshalb ist dieses Buch ein so zutiefst berührendes, sondern auch wegen der jugendlichen Verliebtheit eines 83-Jährigen und einer offensichtlich so sehr beglückenden Wirkung dieser Liebe und dieser Frau. Kaufen, lesen, ins Regal stellen und immer wieder lesen.

André Gorz: Brief an D., Rotpunktverlag, Zürich, 2007, 98 Seiten, gebunden, 15 Euro, mit Lesebändchen, ISBN 978-3858693532
André Gorz: Brief an D., btb Verlag, München, 2011, 128 Seiten, Taschenbuch, 6,99 Euro, ISBN 978-3442742608

Ein eiskaltes Lese-Ärgernis

Wenn in einem Jugendbuch mindestens 16 Mal der Genitiv nicht gebraucht wird, wo er nötig ist, ist das für die Erziehung junger Leser zur richtigen Grammatik niederschmetternd. Wenn der Verlag dazu auch noch eine Lehrerhandreichung anbietet, das Buch also im Unterricht behandelt werden könnte, kann man nur hoffen, dass möglichst viele Lehrer zuvor diese Rezension lesen. Denn „Kälte“ von Michael Northrop ist nicht nur grammatikalisch ärgerlich, sondern inhaltlich auch noch dünn und unausgegoren.

Als die Schüler der Tattawa Regional Highschool in Neuengland aus dem Fenster sehen, fängt es gerade an zu schneien. Das beunruhigt sie zunächst nicht weiter, denn es hat den ganzen Monat schon viel Schnee gegeben. Als es aber immer heftiger schneit und der Wetterbericht eine Schneesturmwarnung herausgibt, sagt der Rektor die Sportveranstaltungen für den Nachmittag ab und schickt alle Schüler nach Hause. Doch nicht alle verlassen die Schule: Sieben Schüler und ein Geschichtslehrer bleiben – aus unterschiedlichen Motiven.

Altmeister Stephen King hätte daraus womöglich eine beklemmende Geschichte gemacht. Dem amerikanischen Autor Michael Northrop aber gelingt das leider nicht. Er legt zwar verschiedene Charaktere an, die genug Konfliktpotential hätten, reizt das aber nicht aus. Erzählt wird die Geschichte des fast einwöchigen Schneesturms aus der Sicht des Zehntklässlers Scotty Weems, Basketballspieler im Schulteam. Mit seinen Freunden Jason Gillespie und Pete Dubois bildet er eine Dreierbande, die noch ein paar Stunden in der Schule bleiben wollen, um im Werkraum an Jasons „Flammenwerfer“ zu basteln, einem motorisierten Go-Kart. Jasons Vater, so die Abmachung, würde sie dann später mit seinem Allrad-Pickup abholen und sicher durch den Schnee bringen.

Ständige unterschwellige Bedrohung

Auch der Bad Boy der Schule, Les Goddard, ist noch in der Schule. Von ihm geht eine ständige unterschwellige Bedrohung aus, eilt ihm doch das Gerücht voraus, er trage immer irgendeine Art von Waffe bei sich und sei absolut unberechenbar. Dann ist da noch der Außenseiter Elijah James, für Scotty ein merkwürdiger Typ, der ständig in der Schulbibliothek sitzt und ansonsten in seiner eigenen Welt zu leben scheint.

Und schließlich komplettieren zwei Neuntklässlerinnen den Reigen, Krista O’Rea und ihre beste Freundin Julie Anders. Oder Enders. So genau weiß Scotty das nicht, denn sein Hauptaugenmerk liegt auf Krista, die sich äußerlich vor allem durch die „perfekte Kombination aus richtig dosierten Kurven und einem straffen, durchtrainierten Körper“ (S. 41) auszeichnet, oberflächlich betrachtet – und das bleibt leider auch so.

Obwohl sich allein durch die unterschiedlichen Charaktere viele Handlungsstränge anbieten, entwickelt sich keiner zu seiner überzeugenden Vollkommenheit. Sogar die aufkeimende Liebesgeschichte zwischen Scotty und Krista bleibt schwach und eher spekulativ. Wenn wenigstens die Beschreibung des Hauptplots gelänge! Doch es will keine rechte Beklommenheit beim Leser aufkommen. Es mangelt dem Buch an Ideen und an packend geschriebener Sprache. Die immerwährende Notiz, dass sich der Schnee immer höher türmt, langweilt schnell.

Die Dramatik der Isolation

Vielleicht ist es Scotty als Erzähler nicht gegeben, eine Geschichte so zu erzählen, dass man an seinen Lippen hängt. Er beobachtet zu oberflächlich, ist zu betont lässig und jugendlich, lässt nicht viel Raum für Dramatik. Und das, obwohl die Notbeleuchtung spärlicher wird, die Expeditionen in die Mensa zur Essensbeschaffung gefährlich sind, das Dach der Schule unter der Schneelast einzubrechen droht und die Verbindungen zur Außenwelt durch ein Radio nur einseitig sind. Potential hat die Geschichte, obwohl sie so und anders schon oft erzählt worden ist. Allein: es wird nicht genutzt. Die Dramatik der Isolation bleibt unter ihren Möglichkeiten.

Die durchgängige Missachtung des Genitivs aber ist ein wahres Lese-Ärgernis. Dass das beim Lektorat nicht aufgefallen ist, ist unverständlich. Das Argument der Jugendsprache darf hier nicht gelten, denn obwohl sich der Text deutlich an jüngere Leser wendet, muss auf die Einhaltung der Grammatik geachtet werden. Alles andere ist bedenklich, vor allem in Kinder- und Jugendbüchern. Wird hier in einer nächsten Auflage nicht nachgebessert, ist von einer Schullektüre abzuraten.

Michael Northrop: Kälte, Loewe Verlag, Bindlach, 2012, 253 Seiten, Taschenbuch, 6,95 Euro, ISBN 978-3785574287, vom Verlag empfohlenes Alter: 13 bis 16 Jahre

Gespiele am College

Als James sein Studium in Oxford beginnt, ist er gewillt, die guten Ratschläge seiner Schwester zu beherzigen: Hart zu arbeiten, Clubs beizutreten und – sich vor allem mit den richtigen Leuten anzufreunden. Doch in seinem Studienfach Physik ist James unter all den Überfliegern nur noch Mittelmaß. Voller Neid sieht James, wie diese Überflieger nicht nur die guten Noten abräumen, sondern auch all die gutaussehenden Frauen an der Elite-Uni. Bis, ja, bis Jess in sein Leben tritt – und James zu weinen beginnt, weil sie auf Anhieb weiß, wer er ist.

Jess gehört zu jenem erlauchten Kreis der Gutsituierten rund um den lässigen Mark, der noch mehr Geld besitzt als sie alle zusammen. Und obwohl James es nicht mag, von Mark als Jess‘ „Gespiele“ bezeichnet zu werden, dauert es nicht lange, bis er dem Zauber des Reichtums seiner neuen Freunde erliegt, erst recht als Mark sie alle einlädt, in seinem alten Herrensitz in Oxford einzuziehen. Es beginnt ein ausschweifendes Leben aus Partys und Sex. Dabei ist Mark die schillernde Persönlichkeit, die alles zusammenhält, von der alles abhängt. Abhängigkeit – das ist eines der großen Themen in Naomi Aldermans Collegeroman „Die Lektionen“, der jetzt auf Deutsch erschienen ist. Sie alle haben ihre Lektionen zu lernen, allen voran James, der leicht zu beeinflussende, schwächlich wirkende Typ mit der leichten Gehbehinderung.

Man kann nicht sagen, dass es ein schlecht zu lesendes Buch ist. Aber es ist auch keine Literatur, es bringt den Leser nicht weiter, es ist gute Unterhaltung, mehr nicht. Letztlich ist wieder einmal den Umschlaggestaltern ein Lob auszusprechen: Nina Rothfos und Patrick Gabler aus Hamburg ist es gelungen, mit dem Foto einer im türkisblauen Wasser eines Pools badenden Brünetten ein neugierig machendes, kaufanreizendes Bild zu schaffen, das einen lüsternen, sommerlichen, aber auch dramatischen Roman verspricht, vor dem der Inhalt aber leider absinkt.

Wer tatsächlich großartige College-Romane lesen will, kommt an Bret Easton Ellis, dem „bad boy“ der US-Gegenwartsliteratur, nicht vorbei. Der Coming-of-Age-Roman von Naomi Alderman, selbst Oxford-Absolventin, ist wie der Held ihres Debütwerkes leider nur eins – Mittelmaß.

Naomi Alderman: Die Lektionen, Berlin Verlag, Berlin, 2012, 398 Seiten, gebunden, 22,90 Euro, ISBN 978-3827010834

Hinweis: In gekürzter Fassung ist diese Rezension auch erschienen in der Neuen Westfälischen Zeitung von Samstag/Sonntag, 16./17. Juni 2012, Nr. 138/24, 202. Jahrgang, hier: Magazin, S. 5