Es ist ein gefährliches Buch. Ja, fürwahr, denn wenn Männer wüssten, was darin geschrieben steht, wäre es eines der meist gekauften Bücher, die sie ihren Partnerinnen gerne mit einem schelmischen Lächeln aufs Kopfkissen legen. Mit dem kleinen Hinweis: „Schatz, ich habe dir ein Buch gekauft.“ In der Hoffnung, dass das Lesen Wirkung zeigt. Denn was Alina Reyes in ihrem dünnen Büchlein „Tagebuch der Lust“ beschreibt, wird bei vielen Männern offene Türen einrennen. Triebgesteuert sind sie, die Männer. Das sagt man ihnen nach. Und so werden sie in atemloser Hast das Büchlein schnell durchgeblättert haben, auf der Suche nach Reizwörtern, die ihnen Lust verschaffen. Phantasien ins Kopfkino schicken. Derer gibt es viele auf den wenigen Seiten. Aber man(n) sollte sie schon genießen, Wort für Wort lesen und sich an ihrer Sprache laben.
Alina Reyes nimmt kein Blatt vor den Mund. Schonungslos lässt sie den Leser an ihrer Lust teilhaben. Sprachlich schön, bildhaft, mitreißend. Zum Lächeln bringend. Vielleicht auch zum einen oder anderen Kopforgasmus. In 69 knappen Kapiteln, die jeweils kaum länger als eine Seite sind und sich deshalb zum schnellen, anregenden Lesegenuss zwischendurch oder davor oder danach eignen, erinnert sich die Protagonistin Rosa an die acht vergangenen Männer, die sie geliebt hat. „Ohne Scham und ohne Falsch erzählen Rosas intime Aufzeichnungen die nackte Wahrheit über die Vorlieben und Gewohnheiten einer Frau und ihrer acht Lieben“, heißt es zu Beginn. Und schon beginnt der Reigen der Lust, der niemals die Grenze der Geschmacklosigkeit übertanzt, aber doch wohl den einen oder anderen Leser an die eigene Grenze der sexuellen Vorlieben bringen mag.
„Meiner siebten Liebe gefiel es, wenn ich ihn beim Essen, oder wenn er vor dem Computer saß, unter dem Tisch lutschte. Mir gefiel das auch, es war wohl sogar meine Idee gewesen.“
Männer werden behaupten, das Buch sei nur für sie geschrieben, weil es die männliche Lust bediene. Aber es ist für beide Geschlechter. Es sind 69 Möglichkeiten, sich genussvoll zu unterhalten. 69 Möglichkeiten, im Buch zu blättern und wahllos ein Kapitel herauszugreifen, um es zu genießen. Und wenn Männer sich die Mühe machen, es Kapitel für Kapitel zu lesen, erkennen sie, dass es viel mehr ist als ein Reigen der Lust. Es ist Poesie, es ist Anregung. Sinnlich und mit Hingabe. Kein Rein-Raus-Schund, sondern erotische Literatur. Und zum Schluss philosophisch und ein wenig angstmachend.
Frauen: lest es. Männer: lest es. Und dann redet miteinander.
Alina Reyes: Tagebuch der Lust, Bloomsbury Verlag Berlin, 2006, 94 Seiten, gebunden, 12 Euro, ISBN 978-3827006899

Alles deutet auf den perfiden Plan eines Serienkillers: Obwohl die Opfer sonst nichts miteinander gemein haben, erhalten sie alle einen Tag vor ihrem Tod eine schlichte, weiße Postkarte mit ihrer Adresse in schwarzer Maschinenschrift. Auf der Rückseite steht das Datum des nächsten Tages; daneben ist mit schwarzer Tinte ein Sarg gemalt.
Sie nennt sich selbst zynisch „eine lebende Leiche“: Elise Andrioli ist eine glücklich verheiratete Frau, da zerstört ein Bombenattentat in Irland ihr Leben und nimmt das ihres Verlobten. Sie selbst überlebt gelähmt und erblindet. An den Rollstuhl gefesselt und völlig auf die Hilfe ihrer Haushälterin Yvette angewiesen. Die nimmt sie eines Tages mit zum Supermarkt, wo Elise die kleine Virginie kennen lernt. Doch was als launige Unterhaltung mit einem siebenjährigen Mädchen beginnt, entwickelt sich zu einer Schauergeschichte. Denn Virginie erzählt Elise von einer Bestie, die nach und nach Jungen umbringt. Erst am vergangenen Tag habe die Bestie wieder zugeschlagen. Und sie, Virginie, habe den Mörder gesehen. Doch bevor sie mehr erzählen kann, wird sie von ihrer Mutter, die vom Einkaufen zurückkommt, unterbrochen.
Friedrich Ani schreibt nicht die Art von Kriminalroman, die jeder mag. Die gelesen werden, nur um Nervenkitzel zu verspüren. Friedrich Ani schreibt Kriminalromane, die vieles sein können, aber nicht bloß das, was lapidar als „Krimi“ bezeichnet wird. Friedrich Anis Kriminalromane halten unserer Gesellschaft in sprachlicher Brillanz den so oft zitierten Spiegel vor. Einen Spiegel, der trotz Staubschicht die Wahrheit abbildet wie kein anderer. Wir haben ihn verstauben lassen, denn warum sollten wir einen Spiegel streifenfrei putzen, der uns nur das Elend zeigt. Ani ist der würdige Nachfolger von Georges Simenon. Wer die Eigenwilligkeit Maigrets unwiderstehlich findet, kann auch die Romane um Polonius Fischer nicht wieder weglegen.