Für die meisten Einwohner des kleinen englischen Ortes Bishopthorpe sind die Radleys eine ganz normale Familie mit einem netten Häuschen, einem Minivan vor der Tür und den üblichen familiären Problemen. Doch die Radleys sind alles andere als eine normale Familie – sie sind Vampire.
Siebzehn Jahre lang haben die Eltern Helen und Peter ihr Geheimnis für sich behalten können. Doch nachdem ihre Tochter Clara auf einer Party einen zudringlichen Mitschüler in Notwehr zu Tode beißt, müssen sie ihr und ihrem Bruder Rowan die erschütternde Wahrheit offenbaren: Sie sind abstinente Vampire, die sich bisher dem Blutdurst verweigert und der Gesellschaft angepasst haben. Das erklärt Rowan auch, warum er trotz Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 60 Hautausschlag bekommt, wenn er in die Sonne geht, und nachts so schlecht schlafen kann. Oder weshalb alle Tiere flüchten, sobald sie der Radleys gewahr werden.
Da draußen aber gibt es sogenannte praktizierende Vampire wie Peters Bruder Will, einer der bekanntesten und blutrünstigsten Blutsauger Englands. Peter aber weiß sich nicht anders zu helfen, als ihn herbeizurufen. Doch damit fängt der ganze Wahnsinn erst richtig an. Der blutrünstige Vampir bringt die Idylle durcheinander, sorgt für Versuchungen und zeigt den jungen Vampiren, wie das „andere“ Vampirleben aussieht. Clara etwa versucht er, die Musik von Jimi Hendrix näher zu bringen. Der war natürlich auch Vampir und hat mit den Reißzähnen auf der Bühne Gitarre gespielt, erzählt Will dem wenig beeindruckten Vampirmädchen.
Die Vampire in Matt Haigs großartigem Roman können fliegen, Gedanken beeinflussen (sie nennen es „Blutdenken“) und haben natürlich immer mal wieder Lust auf eine Portion Blut. Doch das beste Blut ist nicht das des Menschen, sondern Vampirblut, oder für Eingeweihte einfach VB. Das gibt es teilweise sogar in Flaschen abgefüllt in den angesagten Clubs der Vampirhochburg Manchester.
Es ist wohl vor allem dem tiefschwarzen Humor des britischen Autors zu verdanken, dass dieser Roman nicht als einer der „Twilight“-Nachahmer gehandelt werden muss. Die Idee, abstinente Vampire auf den Plan treten zu lassen, ist famos. Wer allerdings spannungsgeladene, bluttriefende Seiten erwartet, wird enttäuscht werden. „Die Radleys“ ist kein Reißer mit Reißzähnen, sondern ein vergnüglicher Trip mit skurrilen Einfällen.
Eine Verfilmung des Stoffes darf wohl auch bald erwartet werden. Laut einer Meldung der „Independent“ soll Alfonso Cuarón (u. a. „Große Erwartungen“ und „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“) als Produzent bereits feststehen. Das Buch sollte man vorher gelesen haben!
Matt Haig: Die Radleys, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2010, 429 Seiten, gebunden, 19,95 Euro, ISBN 978-3462042337;
als Taschenbuchausgabe: Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek, 2012, 432 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro, ISBN 978-3499255274