Kater – lieber ungewöhnlich

Katzenfreunde allerorten, aufgepasst: Hier kommt Peter! Peter ist ein Kater auf zwei Beinen in dem gleichnamigen bezaubernden Buch der kanadischen Autorin Nadine Robert, ganz und gar wunderbar illustriert von Jean Jullien und hervorragend geeignet zum Vorlesen oder ersten Lesen.

Der kleine Junge Phil sitzt am Frühstückstisch und schmiert sich gerade ein Butterbrot. Es ist Sommer, Blumen stehen auf dem Tisch und das Fenster ist geöffnet. Plötzlich hört Phil von draußen ein klägliches Miauen. Oder wie Helge Schneider es beschreiben würde: „Eine Art Hähen oder Spähen. Ein jämmerliches Hilfegesuch. Nicht schriftlich, sondern richtig.“ Phil öffnet die Haustür und findet eine Kiste mit einem schwarz-weißen Kater darin. Und das Wundersame ist: Peter, der Kater, ist nicht wie jeder andere. Denn Peter kann auf zwei Beinen stehen.

Und so jagt Peter Mäuse nicht auf vier Beinen, sondern zweibeining auf einem Skateboard.  Und er trinkt gerne Tee und nutzt seine Krallen zum Massieren. Und mit Kaugummis weiß er auch was anzufangen. Kurzum: Peter ist alles andere als gewöhnlich. Und der fabelhafte französische Grafiker und Illustrator Jean Jullien (unbedingt seinen Instagram-Account anschauen!) erschafft Peter ein Leben wie kein anderes, während Nadine Roberts Texte die Fantasie beflügeln.

„Peter, Kater auf zwei Beinen“ ist ein wunderbar lebensfreudiges, witziges und kurzweiliges Album für Kinder ab 3 Jahren, das mit wenigen Worten und Bildern viel über Freundschaft erzählt. Und darüber, sich nicht von Stereotypen beeinflussen zu lassen, wenn man einem anderen Lebewesen zum ersten Mal begegnet. Das Buch ist in inzwischen in zahlreichen Ländern erschienen und jetzt endlich auch auf Deutsch erhältlich.

Nadine Robert & Jean Jullien: Peter, Kater auf zwei Beinen, Mairisch Verlag, Hamburg, 2019, 56 Seiten, gebunden, 16 Euro, ISBN 978-3938539569

Philosophie in wüsten Zeiten

imageIn seiner spanischen Heimat erschien das Buch „Odem“ des katalanischen Comic-Künstlers Max bereits 2012. Deutsche Comic-Fans mussten sich gedulden, bevor das Werk jetzt auch im Avant-Verlag aus Berlin erhältlich ist. Es erzählt hervorragend gezeichnet und mit zahlreichen philosophischen Bezügen von Nick, der in die Einsamkeit der Wüste flüchtet. Ein Buch, das man aufmerksam lesen sollte.

Nikodemus hat die Nase voll (und er hat eine ziemlich lange Nase!). Der Lärm und die Oberflächlichkeit der Welt nerven ihn vollends. Nur die Wüste erscheint ihm noch als einziger Rückzugsort, um den Sinn, den „endgültigen, unanfechtbaren Sinn, falls es den gibt“, zu finden. „Ich habe es satt, und zwar alles! Die Welt und die Menschen, die Dinge und die Ideen, die Wörter und die Bilder!“ Spricht’s und kippt rücklings in die Wüste.

Doch dass die Wüste lebt, wusste schon der Dokumentarfilmer James Algar. Und so verwundert es nicht, dass Nikodemus zunächst auf einen ziemlich grundentspannten Kater namens Moses trifft, der die Dinge gerne vereinfacht, zu allererst die Namen. So wird aus Moses Mosh und aus Nikodemus Nick – der übrigens in des Katers Augen einen ziemlichen Sonnenstich hat. Neben der wahrlich coolen Socke Mosh trifft Nick auch noch die kleptomanische Elster Juanita, einen traumdeutenden Schiffbrüchigen sowie seinen eigenen Schatten.

Die Geschichte einer Entsagung

Allerlei Ablenkungen versuchen ihn, vom rechten Weg abzubringen, und seine letzte Prüfung kommt mit der betörenden Allmacht der unnahbaren Königin von Saba. „Odem“ ist auch die Geschichte einer Entsagung, um dadurch der absoluten Wahrheit begegnen zu können. Wer Nick nicht in sein Herz schließt, hat wohl noch nie eine Sinnkrise erlebt.

Nicks Suche nach seinem spirituellen Gleichgewicht wird in wunderbar stilisierten Schwarz-Weiß-Zeichnungen erzählt und passt damit hervorragend in die klare Farblosigkeit der Wüste. Gerne wird seine klare Linie mit der des US-Comic-Erneuerers Chris Ware verglichen.

Max selbst erklärt zu Beginn des vorliegenden Buches, es sei partiell inspiriert von „The Wiggle Much“, der „einzigartigen, legendären Comicarbeit von Herbert E. Crowley“. Der frühe, sehr surreale Comic erschien zwischen März und Juni 1910 auf dreizehn halbseitigen Seiten in der New York Herald Tribune. Als Hommage lässt Max die von Crowley erfundene Figur in einem seiner Panels auftauchen.

Einer der bekanntesten spanischen Comic-Künstler

Max, mit bürgerlichem Namen Francesc Capdevila, wurde 1956 in Barcelona geboren und gilt heute als einer der bekanntesten spanischen Comic-Künstler und ist vielfach preisgekrönt. „Odem“ wurde 2013 beim internationalen Comicsalon in Barcelona als bestes nationales Werk nominiert. Auf Deutsch erschienen bereits „Der geheime Kuss“ und „Der Werwolf Punk“ beim Alpha Comic Verlag, sowie „Der lange Traum des Herrn T.“ und „Bardín der Superrealist“ bei Reprodukt.

Lesen Sie „Odem“ und erkennen Sie, dass man selbst in der Wüste nicht von Ablenkungen verschont bleibt. Sind Sie gar selbst in einer Sinnkrise, so ist „Odem“ eines dieser Bücher, die für surrealistisch-philosophisch veranlagte Menschen eine durchaus hilfreiche Lektüre sein können.

Max: Odem, Avant-Verlag, Berlin, 2016, 111 Seiten, gebunden, 24,95 Euro, ISBN 978-3945034491, Leseprobe

Seitengang dankt dem Avant-Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars.

Alberne Vampire

„Hier können wir nicht anhalten. Das ist Fledermausland“, sagt Raoul Duke alias Johnny Depp in Fear and Loathing in Las Vegas. Wie recht er hat: Um Fledermausland sollte man besser einen großen Bogen machen, es sei denn, man steht auf alberne Tommy-Jaud-Vampire.

Denn wahrscheinlich hätte Tommy Jaud einen ähnlich bemüht-lustigen Vampirroman schreiben können, wenn Oliver Dierssen das nicht schon für ihn übernommen hätte. Der Hannoveraner hat als Protagonisten seines Urban-Fantasy-Romans den planlosen Möchtegern-Studenten Sebastian Schätz erfunden, der in Niedersachsens Landeshauptstadt vor sich hinpuzzelt. Er arbeitet für kleines Geld in einem Asiashop, in seiner Zwei-Zimmer-Wohnung herrscht kreatives Chaos und seine Eltern gehen derweil fest davon aus, dass ihr Filius emsig studiert. Und dann ist da noch Kim, jene nach Mango duftende, unglaublich gutaussehende Frau, an der er interessiert ist, die mit ihm aber immer nur ins Kino gehen will. Kann man ihr allerdings nicht verdenken, denn Sebastian Schätz stellt sich selbst als wehleidiges, antriebsloses Bürschchen dar – die flapsige Sprache, in der er dem Leser von seinen skurrilen Erlebnissen erzählt, macht es leider nicht besser.

Alles beginnt damit, dass Sebastian eines Nachts Besuch von einer Fledermaus bekommt. Das macht ihn derart panisch, dass er zunächst nackt in den Wohnungsflur flüchtet und von dort einige Notrufnummern wählt. Als ihm aber niemand helfen will, packt er erstaunlicherweise das Problem selbst an, mit der Folge, dass er schließlich nur mit einem Bademantel bekleidet auf der Fensterbank steht und seine Hand im Rollladenkasten festklemmt. Danach überschlagen sich die Ereignisse, Spannung kommt deshalb aber nicht auf. Spannung, die klingt im Fledermausland so: „Die Windschutzscheibe des Wagens zerbarst. Eine Flut winziger Scherben ergoss sich ins Fahrzeug. Es klirrte, zischte und schäumte. Die Luft roch nach Fanta. Das Taxi kam von der Fahrbahn ab, stieß ungebremst gegen ein Hindernis, drehte sich um die eigene Achse. Die Fliehkraft riss an mir, warf mich in die Sicherheitsgurte, presste mir die Luft aus den Lungen.“ (S. 244)

Ja, Sebastian Schätz erlebt so einige ereignisreiche Tage. Er wird auf einer Kinotoilette von einem depressiven Vampir angefallen, ein Oger sucht ihn wegen einer Lebensberatung auf und urplötzlich hat er auch noch einen putzwütigen Gast zu Besuch, der in seinem Spülenschrank übernachtet. Als schließlich Zwerge auf seinem Sofa sitzen, glaubt auch Sebastian, dass hier nicht mehr alles mit rechten Dingen zugeht.

Wahrscheinlich braucht es eine bestimmte Art von Humor, um dieses Buch zu mögen. Tommy-Jaud-Fans kommen sicherlich auf ihre Kosten. Wer jedoch einen ernsthaften Vampirroman erwartet, sollte besser die Hände davon lassen und sich an die Radleys halten. Dem „Fledermausland“ fehlt es in weiten Strecken an Spannung, den Protagonisten möchte man rütteln und schütteln, damit der endlich aus seiner Lethargie erwacht und ein Mann der Tat wird, und die Auflösung des Ganzen kommt am Ende viel zu schnell und problemlos daher, als dass sie den Leser begeistern kann. Was allerdings sehr rührend geschrieben ist, sind die Danksagungen des Autors, der laut Angaben des Verlags seit 2007 als Arzt in einer psychiatrischen Klinik arbeitet, sich für das alphabetische Einsortieren von Büchern, gelegentliches stressfreies Reisen und uneingängige Rockmusik interessiert. „Fledermausland“ ist sein erster Roman; mittlerweile liegt als zweites Werk der Roman „Fausto“ vor.

Oliver Dierssen: Fledermausland, Heyne Verlag, München, 2009, 448 Seiten, Taschenbuch, 12,95 Euro, ISBN 978-3453266636

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