Ruby und die Liste

Ruby hat es in diesen Tagen nicht leicht. Seitdem ihre Liste mit den 15 Jungennamen, die eigentlich für ihre Seelenklempnerin gedacht war, in der Schule aufgetaucht ist und dort kursiert, spricht ihre beste Freundin nicht mehr mit ihr, Ruby wird als berüchtigte Schlampe abgestempelt und eine Panikattacke folgt der nächsten. Wie dieser ganze Schlamassel passieren konnte, davon sollte man sich in „15 Jungs, 4 Frösche + 1 Kuss“ überzeugen.

Dass es mit 15 Jahren nicht unbedingt üblich ist, schon eine Seelenklempnerin zu haben, ist Ruby auch klar. Aber ihre ziemlich schrägen und besorgten Eltern sind der Meinung, anders sei ihren Panikattacken nicht zu begegnen, als sie in die Obhut einer Psychologin zu geben. „Die Liste war eine Hausaufgabe für meine geistige Gesundheit. Doktor Z sagte, ich solle alle Freunde, So-was-Ähnliches-wie-Freunde, Fast-Freunde, Gerüchteweise-Freunde und Erträumte-Freunde, die ich je gehabt hatte, aufschreiben.“ Es wird eine Liste mit 15 Jungennamen, angefangen mit Adam („aber der zählt nicht“) über Sky („aber er hatte eine andere“) bis Cabbie („aber da bin ich unentschlossen“).

15 Jungs, 15 Kapitel. Und die sind herrlich kess und aufrichtig erzählt, mit jenen Problemen des ersten Verliebtseins, dazu anstrengende, geradezu peinliche Eltern sowie Freundschaften, die auf Belastungsproben gestellt werden. Es ist sicherlich eher ein Buch für Mädchen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren, aber möglicherweise liest es auch heimlich der eine oder andere Junge und weiß danach besser Bescheid über dieses Mädchen-und-Jungs-Ding.

Der übliche Text reicht nicht aus

Doch Emily Lockhart hat mit Ruby nicht nur eine famose Figur erschaffen, sondern bringt den jungen Lesern auch noch das Fußnotenlesen bei, denn Ruby hat so viel zu erzählen, dass der übliche Text nicht aureicht und sie ihn teilweise mit Fußnoten am Ende der Seite ergänzen muss. Zum Verständnis des Buches müssen die Anmerkungen zwar nicht gelesen werden, aber sie bieten interessante Hintergrundinformationen. Sehr schöne Idee!

Wer mehr über die amerikanische Autorin Emily Lockhart erfahren möchte, dem sei ihr englischsprachiger Blog sowie ihre ebenfalls englischsprachige Homepage empfohlen. Dort erfährt man nicht nur, welche Bücher sie wie verrückt geliebt hat, als sie selbst 14 Jahre alt war, sondern auch, dass sie Autorin werden wollte, seitdem sie acht Jahre alt ist. Und dass ihre Lieblings-Eissorte Häagen Dazs dulce de leche ist. Oder dass sie schon einmal mit Stachelrochen geschwommen ist. Herrlich! Einfach mal reinlesen.

Der erste Teil von Rubys Erlebnissen („15 Jungs, 4 Frösche + 1 Kuss“) ist bereits 2009 erschienen, die Fortsetzung („Ruby, die Jungs und wie man sie zähmt“) wurde im Juni 2012 veröffentlicht. Ein dritter Band soll im Dezember 2012 folgen. Man darf also auf weitere schräge Geschichten von Ruby gespannt sein. Mädchen (und Jungs): lesen!

Emily Lockhart: 15 Jungs, 4 Frösche + 1 Kuss, Carlsen Verlag, Hamburg, 2009, 285 Seiten, Taschenbuch, 9,95 Euro, ISBN 978-3551357748, vom Verlag empfohlenes Alter: 13 bis 16 Jahre
Emily Lockhart: Ruby, die Jungs und wie man sie zähmt, Carlsen Verlag, Hamburg, 2012, 256 Seiten, Taschenbuch, 9,95 Euro, ISBN 978-3551311337, vom Verlag empfohlenes Alter: 13 bis 16 Jahre

Ein eiskaltes Lese-Ärgernis

Wenn in einem Jugendbuch mindestens 16 Mal der Genitiv nicht gebraucht wird, wo er nötig ist, ist das für die Erziehung junger Leser zur richtigen Grammatik niederschmetternd. Wenn der Verlag dazu auch noch eine Lehrerhandreichung anbietet, das Buch also im Unterricht behandelt werden könnte, kann man nur hoffen, dass möglichst viele Lehrer zuvor diese Rezension lesen. Denn „Kälte“ von Michael Northrop ist nicht nur grammatikalisch ärgerlich, sondern inhaltlich auch noch dünn und unausgegoren.

Als die Schüler der Tattawa Regional Highschool in Neuengland aus dem Fenster sehen, fängt es gerade an zu schneien. Das beunruhigt sie zunächst nicht weiter, denn es hat den ganzen Monat schon viel Schnee gegeben. Als es aber immer heftiger schneit und der Wetterbericht eine Schneesturmwarnung herausgibt, sagt der Rektor die Sportveranstaltungen für den Nachmittag ab und schickt alle Schüler nach Hause. Doch nicht alle verlassen die Schule: Sieben Schüler und ein Geschichtslehrer bleiben – aus unterschiedlichen Motiven.

Altmeister Stephen King hätte daraus womöglich eine beklemmende Geschichte gemacht. Dem amerikanischen Autor Michael Northrop aber gelingt das leider nicht. Er legt zwar verschiedene Charaktere an, die genug Konfliktpotential hätten, reizt das aber nicht aus. Erzählt wird die Geschichte des fast einwöchigen Schneesturms aus der Sicht des Zehntklässlers Scotty Weems, Basketballspieler im Schulteam. Mit seinen Freunden Jason Gillespie und Pete Dubois bildet er eine Dreierbande, die noch ein paar Stunden in der Schule bleiben wollen, um im Werkraum an Jasons „Flammenwerfer“ zu basteln, einem motorisierten Go-Kart. Jasons Vater, so die Abmachung, würde sie dann später mit seinem Allrad-Pickup abholen und sicher durch den Schnee bringen.

Ständige unterschwellige Bedrohung

Auch der Bad Boy der Schule, Les Goddard, ist noch in der Schule. Von ihm geht eine ständige unterschwellige Bedrohung aus, eilt ihm doch das Gerücht voraus, er trage immer irgendeine Art von Waffe bei sich und sei absolut unberechenbar. Dann ist da noch der Außenseiter Elijah James, für Scotty ein merkwürdiger Typ, der ständig in der Schulbibliothek sitzt und ansonsten in seiner eigenen Welt zu leben scheint.

Und schließlich komplettieren zwei Neuntklässlerinnen den Reigen, Krista O’Rea und ihre beste Freundin Julie Anders. Oder Enders. So genau weiß Scotty das nicht, denn sein Hauptaugenmerk liegt auf Krista, die sich äußerlich vor allem durch die „perfekte Kombination aus richtig dosierten Kurven und einem straffen, durchtrainierten Körper“ (S. 41) auszeichnet, oberflächlich betrachtet – und das bleibt leider auch so.

Obwohl sich allein durch die unterschiedlichen Charaktere viele Handlungsstränge anbieten, entwickelt sich keiner zu seiner überzeugenden Vollkommenheit. Sogar die aufkeimende Liebesgeschichte zwischen Scotty und Krista bleibt schwach und eher spekulativ. Wenn wenigstens die Beschreibung des Hauptplots gelänge! Doch es will keine rechte Beklommenheit beim Leser aufkommen. Es mangelt dem Buch an Ideen und an packend geschriebener Sprache. Die immerwährende Notiz, dass sich der Schnee immer höher türmt, langweilt schnell.

Die Dramatik der Isolation

Vielleicht ist es Scotty als Erzähler nicht gegeben, eine Geschichte so zu erzählen, dass man an seinen Lippen hängt. Er beobachtet zu oberflächlich, ist zu betont lässig und jugendlich, lässt nicht viel Raum für Dramatik. Und das, obwohl die Notbeleuchtung spärlicher wird, die Expeditionen in die Mensa zur Essensbeschaffung gefährlich sind, das Dach der Schule unter der Schneelast einzubrechen droht und die Verbindungen zur Außenwelt durch ein Radio nur einseitig sind. Potential hat die Geschichte, obwohl sie so und anders schon oft erzählt worden ist. Allein: es wird nicht genutzt. Die Dramatik der Isolation bleibt unter ihren Möglichkeiten.

Die durchgängige Missachtung des Genitivs aber ist ein wahres Lese-Ärgernis. Dass das beim Lektorat nicht aufgefallen ist, ist unverständlich. Das Argument der Jugendsprache darf hier nicht gelten, denn obwohl sich der Text deutlich an jüngere Leser wendet, muss auf die Einhaltung der Grammatik geachtet werden. Alles andere ist bedenklich, vor allem in Kinder- und Jugendbüchern. Wird hier in einer nächsten Auflage nicht nachgebessert, ist von einer Schullektüre abzuraten.

Michael Northrop: Kälte, Loewe Verlag, Bindlach, 2012, 253 Seiten, Taschenbuch, 6,95 Euro, ISBN 978-3785574287, vom Verlag empfohlenes Alter: 13 bis 16 Jahre

Die Totgeburt einer Legende

Der Veröffentlichung des ersten Teils der „Legend“-Trilogie von Marie Lu ging eine Medienkampagne voraus. Die Filmrechte sind bereits verkauft, ein Buchtrailer versprach Großes. Doch „Fallender Himmel“ ist nur eine von vielen Dystopien, die derzeit vor allem im Jugendbuchbereich auf den Markt schwemmen. Und die Idee krankt vor allem an ihrer Unausgereiftheit.

Los Angeles im Jahr 2130. Die Republik Amerika führt Krieg gegen die Kolonien, während in den Städten Seuchen grassieren. Durch die Straßen patroulliert die Seuchenpolizei und markiert all jene Häuser, in denen bereits Erkrankte wohnen, mit einem roten X. Auch an dem Haus von Days Familie prangt ein solches Mal, aber er wäre nicht Amerikas meistgesuchter Verbrecher, wenn es ihm nicht gelingen sollte, Medikamente für seine Familie zu besorgen.

Doch der Einbruch im Krankenhaus verläuft anders, als Day erwartet hat. Er muss fliehen, wird schwer verletzt und kann seinen Verfolger nur mit einem beherzten Messerwurf abschütteln.

Von Rachegelüsten getrieben

Der Verfolger aber ist niemand anderes als Metias Iparis. Dessen 15-jährige Schwester June hat als einziges Kind jemals die volle Punktzahl des „Großen Tests“ erreicht und ist als Elitesoldatin für eine Militärkarriere vorgesehen. Ihr erster Auftrag lautet: Den vermeintlichen Mörder ihres Bruders Metias zu finden – Day, Staatsfeind Nummer eins. June, von Rachegelüsten getrieben, heftet sich an die Fersen des sagenumwobenen Rebellen und erkennt fast zu spät, dass sie nur ein Rädchen in einem großen, perfiden Spiel ist.

Dystopien haben derzeit Hochkonjunktur. Und es gibt gute Beispiele wie die „Die Tribute von Panem“-Trilogie. Oder „Die Nacht von Shyness“. Doch der Anfang der „Legend“-Trilogie ist zu wenig durchdacht, um aus dem Wust der Anti-Utopien herauszustechen. Kaum etwas erfährt der Leser über die Hintergründe des Kriegs gegen die Kolonien, die politischen Machtverhältnisse und das Leben der Menschen abseits der Seuchen und Militäraktionen. Der Plot ist geprägt von Schwarz-weiß-Malerei, teilweise sehr brutalen Szenen und einer wenig nachvollziehbaren Liebesgeschichte. Die Idee, die Geschichte abwechselnd aus beiderlei Sicht zu erzählen, ist nicht neu, sorgt aber zumindest für etwas Abwechslung. Die beiden Hauptcharaktere bleiben dennoch blass und entwickeln keine Tiefe. Trotzdem: Dem rebellischen Day ist man als Leser schon näher, als der unglaublich stupide folgsamen June.

Diese Geschichte überzeugt nicht. Sie ist lesbar, ja, aber vor allem ist es ein Werk, das das Regal nicht braucht. Bitte nicht mehr davon!

Marie Lu: Legend – Fallender Himmel, Loewe Verlag, Bindlach, 2012, 367 Seiten, gebunden, mit Lesebändchen, 17,95 Euro, ISBN 978-3785573945, vom Verlag empfohlenes Alter: 14 bis 17 Jahre

Oh, du mein arg romantisch pochendes Herz

Wir schreiben die siebziger Jahre. In einer Moorlandschaft im Süden Englands hat sich eine Künstlerkolonie angesiedelt, deren Bewohner das freie Leben genießen. Auch Cecilia wächst dort auf. Ihre Eltern Dora und Patrick haben ein altes Gehöft gekauft, in den Ställen kommen andere Hippies unter, bezahlt wird mit Naturalien oder handwerklichen Dingen. Das alles geht Cecilia gehörig auf den Keks. Am schlimmsten für sie ist aber die antiautoritäre Erziehung an ihrem Internat, einer Reformschule, wo sie auch das Töpfern und Flechten erlernt. Welch ein Lichtblick, als der ernsthafte Englischlehrer James Dahl an die Schule kommt, und die 15-jährige Cecilia und ihre Freundinnen sich reihenweise in den Mann verlieben.

„Gefährliche Nähe“, das ist Joanna Briscoes aktueller Roman, der in Deutschland jetzt bei Bloomsbury Berlin erschienen ist. Und wie der Vorgänger „Schlaf mit mir“ ist auch dieses Buch sehr emotional, schwülstig und für das romantische Herz geschrieben. Kaum vorstellbar, dass ein Mann an diesem Buch Gefallen finden kann. Jedoch: Freundinnen von tiefromantischen Liebes- und Familiensagas werden wahrscheinlich ihre helle Freude daran haben.

Es kommt, wie es kommen muss: Die belesene Cecilia entbrennt in tiefer Liebe zu ihrem Lehrer, weil er die klassische Bildung verkörpert. Auch er liest Bücher, weiß daraus zu zitieren und ist ansonsten unnahbar ernsthaft. In der Beschreibung erinnert Mr. Dahl an Matthew Macfadyen und seine meisterhafte Darstellung des Mr. Darcy in der Joe-Wright-Verfilmung von „Stolz und Vorurteil“.

Vom zarten Band zur gefährlichen Nähe

Zwischen Cecilia und James Dahl entwickelt sich ein zartes Band, das sich mehr und mehr zur titelgebenden gefährlichen Nähe entwickelt. Die wird zwar von Cecilias Mutter Dora gesehen, aber nicht wirklich erkannt. Dafür ist keine Zeit, denn Dora fühlt sich zum anderen Part der Dahls hingezogen, Elisabeth, James‘ bi-interessierte Ehefrau.

Rund zwanzig Jahre später kehrt Cecilia mit ihrer eigenen Familie in das Haus ihrer Kindheit zurück, um näher bei ihrer krebskranken Mutter zu sein. Die Erinnerungen an die Erlebnisse in ihrer Kindheit prasseln auf sie ein, und schnell wird deutlich: Auch jetzt noch lauert an diesem Ort eine gefährliche Nähe.

Es wird viel gefühlt und geliebt in diesem Roman, dafür fehlt es an derb-deftigen Sexszenen, wie man sie noch in „Schlaf mit mir“ lesen konnte. Wer also zumindest darauf hofft, wird enttäuscht werden. Insgesamt bleibt es ein Liebesroman durch und durch, der sich durch die verbotene Liebe zwischen Lehrer und Schülerin etwas Reiz verspricht, ihn aber nicht halten kann. Wieder mal ein Buch für den Urlaub, sofern man ein arg romantisch pochendes Herz besitzt.

Joanna Briscoe: Gefährliche Nähe, Bloomsbury Verlag, Berlin, 2012, 495 Seiten, gebunden, 22,90 Euro, ISBN 978-3827010490

Krass, man!

Fürwahr, es ist ein dünnes Büchlein, das Tamara Bach als ihr erstes beim Carlsen Verlag vorlegt, nachdem sie schon drei andere Kinder- und Jugendbücher bei anderen Verlagen veröffentlicht hat. Es ist ein dünnes Büchlein mit dicken Themen: Freundschaft, Verlust, Ängste, Trauer, Erwachsenwerden, Verzweiflung, erste Liebe. Zu viel für 140 Seiten? Nein, das alles darf sein und rein in so einen Text – wenn er so ungewöhnlich daherkommt, wie die preisgekrönte Tamara Bach ihre Bücher schreibt. Weil sie anders sind. Aber vielleicht hat sich Tamara Bach auch ein wenig verzettelt in ihrer Andersheit. Ihr Verlag indes weiß sie trotzdem zu rühmen.

„Was vom Sommer übrig ist“ ist keine leichte Sommerlektüre für den Strandkorb, sondern harte Lesearbeit. Es erzählt von der 17-jährigen Louise und der 12-jährigen Jana, die sich an einem heißen Sommertag begegnen. Louise ist im Ferienjob-Dauerstress, weil sie nicht nur einen Job beim Bäcker angenommen hat, sondern auch noch den Hund ihrer Oma hütet und für einen Freund dessen Job übernommen hat, die Zeitungen auszutragen. Mit den vielen Jobs will sie möglichst schnell ihren Führerschein finanzieren, bietet der doch einiges an Unabhängigkeit. Jana dagegen sucht und flüchtet. Sie sucht Aufmerksamkeit und flüchtet vor der atemlosen Stille zu Hause, seit ihr Bruder Tom von einer Brücke sprang. Ihre Eltern sind pausenlos bei ihm im Krankenhaus und vergessen sogar Janas 13. Geburtstag. Und just an diesem Tag trifft sie auf Louise.

Erzählt wird die Geschichte aus beiderlei Sicht, wobei dem Perspektivwechsel manchmal schwer zu folgen ist. Leicht hat es auch derjenige Leser nicht, der sich gegen Jugendsprache sperrt, denn Tamara Bach lässt ihre beiden Charaktere oft in einem Bewusstseinstrom einfach drauflos erzählen, ohne Punkt und Komma, gerne auch in unvollständigen Sätzen. Das macht das Buch nicht unbedingt einfacher, aber auch nicht weniger lesenswert. Fast kunstvoll, nur an wenigen Stellen unangenehm gekünstelt, lässt Tamara Bach die beiden Mädchen zu Wort kommen. Trotzdem bleibt die Sprache stets grammatisch korrekt und einwandfrei, wenn sich Bach der typischen Auslassungszeichen wie des Apostrophs bedient.

„Gerade die Verwendung des Dativs ist absichtlich“

In zwei Fällen aber, nur in zwei Fällen, stimmt die Grammatik unangenehm nicht. Der Verlag, vom Rezensenten darauf hingewiesen, dass es sich möglicherweise um zwei Fehler handeln könnte, weil ansonsten die Grammatik eingehalten werde, und ob der Verlag die Fehler in der nächsten Auflage berichtige, antwortete – und hier wird die Antwort gerne in ihrer Gänze zitiert: „Tamara Bach hat einen eigenen, absichtlich ungewöhnlichen Sprachstil gewählt. Sie schreibt immer abwechselnd aus der Sicht der beiden Hauptfiguren und hält den Erzählstil deshalb absichtlich „jugendlich“ oder umgangssprachlich. Man könnte den Stil auch assoziativ nennen. Sätze sind absichtlich unvollständig, es fehlen Artikel oder es kommen Gedankensprünge vor. Oftmals werden so Rechtschreib- und Satzbaukonventionen ignoriert. Deshalb sind die von Ihnen gemeinten Stellen keine versehentlichen Fehler. Gerade die Verwendung des Dativs im Zusammenhang mit „wegen“ ist absichtlich. Es ist korrekter, sauberer den Genetiv zu verwenden, dies würde jedoch zu dem umgangssprachlichen Ton der jugendlichen Figuren nicht passen.“

Jugendsprache hin oder her – aber das geht nicht. Lassen wir in Zukunft aus Jugendbüchern den Genetiv fort, weil die Jugendsprache ihn auch nicht kennt? Wird „brauchen“ ohne „zu“ gebraucht, weil nicht nur die Jugendsprache es nicht mehr kennt, sondern weil selbst gestandene Wortverwender die Regel missachten? Ist es denn nicht viel mehr eine Kunst des Bücherschreibens, wenn man die Jugendsprache einzufangen, sie aber dennoch in den grammatischen Regeln zu halten vermag?

Ansonsten aber legt Tamara Bach hier ein berührendes Buch vor, das nicht nur ein Jugendroman ist. Und ganz sicher keine leichte Sommerlektüre, sondern ein dünnes Büchlein mit dicken Themen. Oder sollte man besser schreiben: „Krass, man“?

Tamara Bach: Was vom Sommer übrig ist, Carlsen Verlag, Hamburg, 2012, 140 Seiten, mit Lesebändchen, gebunden, 12,90 Euro, ISBN 978-3551582423