Die rund eineinhalbstündige Diskussion in englischer Sprache war interessant, solange der redegewandte Sedláček sprach. Er fand populäre Vergleiche für seine Thesen einer kranken Weltwirtschaft und ihrer möglichen Therapien, wohingegen Tanzer eher ungenau formulierte und das Publikum nicht so sehr in seinen Bann schlagen konnte.
Sedláček machte deutlich, dass Wirtschaftswissenschaftler nichts anderes seien als Geschichtenerzähler: Bei Zombie- und Vampirfilmen wisse man schließlich genau, dass es keine Untoten gibt. Aber für die Dauer des Films glaube man fest daran. Auch danach sei man noch zu Tode erschrocken, wenn in der Nacht irgendwo etwas wispert oder ein Ast knackt. Der Wirtschaftswissenschaftler erschaffe ähnlich festen Glauben in den Menschen, erklärte Sedláček. Alles beginne mit einer Annahme. Angenommen, es gibt Vampire und Untote… Angenommen, die bunten Papierscheine in unseren Geldtaschen hätten unterschiedliche Geldwerte… Verliert der Glaube an die Untoten seine Macht, lache man schließlich darüber. Verliere man den Glauben an den Wert des Geldes, nenne man das Inflation.
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Warum man das Buch lesen sollte, „die typisch amerikanische Frage“, wie Sedláček Schmidtkunz‘ Vorstoß definierte, beantwortete vor allem Tanzer sehr gefällig: Er habe das größte Lob von seiner eigenen Mutter bekommen, die seine bisherigen Bücher nie gelesen habe. Das jetzige habe sie immerhin bis zur 255. Seite gelesen und ihm dann gesagt: „Ich habe beim Lesen über mich und mein Leben nachgedacht.“ Einen besseren Erfolg könne ein Buch wohl kaum erzielen, schloss Tanzer.
Noch bis Sonntagabend geht es bei mehr als 300 Veranstaltungen in Österreichs Hauptstadt um Bücher, Bücher und noch mehr Bücher. Am Donnerstag beginnt auch die achte Internationale Buchmesse “Buch Wien”. Dort wird am Vorabend der Schriftsteller Adolf Muschg aus der Schweiz als Festredner erwartet, der über die Zukunft des Lesens sprechen wird.
Seitengang wird in den kommenden Tagen sowohl von der Lesefestwoche als auch von der “Buch Wien” berichten.