„Lichthupe Vollgas“ durchs Theaterleben

Foto: Insel-Verlag„Kellner, Nutten, Taxifahrer und Schauspieler. Alles dasselbe. Dienstleistendes Gewerbe.“ In dem Insel-Bändchen „Alles Theater“ erzählen Berliner Schauspieler wie Ulrich Matthes, Fritzi Haberlandt oder Martin Wuttke sehr persönlich vom Theaterleben, vom Zauber der Bühne und von anderen Dingen. Brigitte Landes hat sie reden lassen und ihre Worte notiert, die Schauspielerin und ehemalige Theaterfotografin Margarita Broich hat zum Fotoapparat gegriffen und sie zum Teil noch in Kostüm und Maske abgelichtet, kurz nachdem sie die Bühne verlassen haben. Entstanden sind 32 Kurz-Porträts, die ein kleiner Schatz sind.

Der 2013 verstorbene Schauspieler Otto Sander ist nur mit dem eingangs erwähnten Bonmot vertreten. Auf der Fotografie trägt er noch sein Bühnenoutfit aus Samuel Becketts „Das letzte Band“, gespielt am Renaissance-Theater in Berlin im Jahre 2009. Auf dem Tisch steht eine Dose Taft-Haarspray, in der rechten Hand hält Sander eine Zigarette. Es sind diese Fotos von Margarita Broich, Ehefrau von Martin Wuttke und neue Kommissarin im „Tatort“ Frankfurt, die für den besonderen Reiz des Büchleins sorgen: Sie hat oft genau im richtigen Moment abgedrückt, bevor die Theaterrolle abfällt und sich die Alltagsrolle wieder an den Leib schmiegt. Das Foto von Otto Sander ist die schlichte Verbildlichung seines Bonmots. Treffender kann ein Porträt kaum sein. Und es ist eine wahre Kunst, diesen Augenblick abzupassen. Das ist Broich gelungen. Sehenswert sind hier übrigens auch Lars Eidinger, Corinna Harfouch und Ben Becker.

Das Buch lässt die Porträtierten zu Wort kommen, aufgeschrieben von Brigitte Landes. Sie hat dabei die Wortwahl und den Duktus ihrer Gesprächspartner löblicherweise übernommen. So schnoddert Alexander Scheer über die „Castorf-Knochenmühle“: „Da merkst du erst nach ein paar Shows, wie geil Castorf das Ding gebaut hat.“ Und das Ensemble geht dabei „Lichthupe Vollgas“ und „voll auf die Zwölf“, muss sich völlig „aufrauchen“.

Auf der anderen Seite philosophiert Burghart Klaußner über den Schutz der „Ersatzwelt der Bühne vor der Erstwelt“, und Fritzi Haberlandt spricht über das Erleben von Glück auf der Bühne, während man eigentlich nur dankbar sein müsse, dass immer noch so viele Menschen ins Theater kommen, um selbst zu erleben und in den Bann geschlagen zu werden.

Auch „Alles Theater“ vermag in den Bann zu schlagen. Es ist zwar nur eine kleine Auswahl von Schauspielern, aber sie ist fein, sie ist in den meisten Fällen interessant, und sie ist vor allem eine gelungene Komposition aus Fotografie und Text.

Margarita Broich/Brigitte Landes: Alles Theater, Insel Verlag, Berlin, 2015, 79 Seiten, gebunden, 18 Euro, ISBN 978-3458200161, Leseprobe