Die Leipziger Buchmesse 2013 hat begonnen, und Seitengang ist mittendrin. Bis Sonntag berichtet Seitengang in unregelmäßigen Abständen von den Ereignissen der Buchmesse.
Am Vormittag war Klaus-Michael Bogdal der neuerdings prominente Gesprächspartner bei der Eröffnung des „Café Europa“ des Auswärtigen Amts und der Stadt Leipzig. Neuerdings prominent deshalb, weil der Literaturwissenschaftler der Universität Bielefeld erst am Abend zuvor in Leipzig den mit 15.000 Euro dotierten Preis zur Europäischen Verständigung für sein Buch „Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung“ verliehen bekommen hat.
In dem 2011 bei Suhrkamp erschienenen Buch wird die seit sechs Jahrhunderten andauernde Verfolgung und Ausgrenzung der Romavölker in Europa untersucht. „Bogdal zeigt, wie Europa den Grad der eigenen Kultiviertheit an der Abwertung der Roma im Spannungsfeld zwischen Hass, Abwehr und romantisierender Zigeuner-Folklore festmacht. Gerade angesichts eines neu aufbrandenden Anti-Ziganismus in Europa gewinnt Bogdals epochale Studie eine bedrückende Aktualität und Brisanz“, begründet die international besetzte Jury ihr Urteil.
Im Gespräch mit dem Kulturbügermeister der Stadt Leipzig, Michael Faber, erklärte Bogdal am Donnerstagvormittag, es sei eine für ihn ungewohnte Rolle, derart prominent zu sein. „Aber das kann ja auch ganz nützlich sein.“ Faber fragte, ob denn Niklas Luhmann, erster Professor der Uni Bielefeld und bekannter Soziologe, eine Vorbildfunktion für Bogdal gehabt habe. „Nein, ich fühle mich eher bei Michel Foucault wohl“, erklärte Bogdal, der selbst Philosophie studiert hat. Foucaults analytische Schärfe habe ihn immer beeindruckt.
Rund 20 Jahre hat Bogdal bis zur Fertigstellung seines Buches gebraucht. Er selbst sagt, veröffentlicht worden sei jetzt auch nur ein Extrakt aus 2.000 Seiten. „Anfangs wollte ich nur über die Zigeunerbilder in der deutschen Literatur schreiben – das war dann nach zwei oder drei Jahren fertig.“ Aber schon im Titel stecke der Hinweis, dass es in diesem Buch um viel mehr geht. „Ich meine, dass wir es mit einer großen Erfindergesellschaft zu tun haben, die auch vor dem Menschen nicht Halt macht“, erklärte der Wissenschaftler. „Wir nehmen die Romavölker nicht als Dialogpartner wahr und ernst, stattdessen reden wir nur über sie.“
Klaus-Michael Bogdal: Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung, Suhrkamp Verlag, Berlin, 2011, 592 Seiten, gebunden, 24,90 Euro, ISBN 978-3518422632
Auf dem Blauen Sofa in der Glashalle sitzen in diesen Tagen wieder Autorinnen und Autoren, die sowohl die Spezialisten als auch die breite Masse interessieren. Am ersten Messetag sind darunter vor allem die Preisträger des Leipziger Buchpreises, aber auch Autorinnen und Autoren wie Bernhard Kegel, Péter Esterházy und Amos Oz. Letzterer hat gerade erst im Suhrkamp Verlag seinen neuen Erzählungsband „Unter Freunden“ herausgegeben. Die acht Erzählungen spielen im fiktiven Kibbuz Ikat und zeigen intime Porträts von Frauen und Männern.
Der Besucherandrang beim Gespräch mit dem israelischen Schriftsteller Amos Oz ist groß, in den hinteren Reihen ist die Übersetzung seiner Worte teilweise kaum zu verstehen, zu laut sind auch die Umgebungsgeräusche in der Glashalle. Was aber jeder versteht, sind Oz‘ Worte zum Schluss. „Peace will come“, sagt der Befürworter der Zwei-Staaten-Lösung im Nahost-Konflikt laut und deutlich. Und erntet dafür Applaus.
Amos Oz: Unter Freunden, Suhrkamp Verlag, Berlin, 2013, 216 Seiten, gebunden, 18,95 Euro, ISBN 978-3518423646