Seitengang fährt zur Leipziger Buchmesse 2014

Druck„Seitengang – Ein Literatur-Blog“ fährt auch in diesem Jahr wieder zur Leipziger Buchmesse. Vom 13. bis 16. März 2014 berichtet Seitengang direkt aus Leipzig über Lesungen, Autoren und Verlage sowie natürlich auch über die Sputnik LitPop 2014.

Zu den besonderen Höhepunkten in diesem Frühjahr zählen die Auftritte berühmter Autoren wie Margaret Atwood, Simon Beckett, Margriet de Moor, Arne Dahl, Håkan Nesser, Ingrid Noll, Frank Schätzing oder Friedrich Ani. Leipzig bereitet aber auch erneut die Bühne für politische Autoren und Themen: Pankaj Mishra etwa, Publizist und Historiker aus Indien, bekommt in diesem Jahr den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung.

Im Jahr 2006 ist der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch mit diesem Preis geehrt worden – derzeit demonstriert er auf dem Majdan-Platz in Kiew und reist im März nach Leipzig, um unter anderem über die politischen Entwicklungen seines Landes zu informieren.

Vorstellung der Neuerscheinungen des Frühjahrs

Schwerpunkt der Leipziger Buchmesse ist neben der Vorstellung der Neuerscheinungen des Frühjahrs zum dritten Mal in Folge das Programm “tranzyt. Literatur aus Polen, der Ukraine und Belarus”. Dort präsentieren wie schon in den vergangenen beiden Jahren etablierte und aufstrebende Autoren aus Mittelosteuropa zum Teil noch unbekannte Literaturwelten. Eines der wichtigsten Themen wird dabei der Erste Weltkrieg sein. Polen, die Ukraine und Belarus waren wichtige Schauplätze des Krieges, der diese Länder mit all seinen Folgen heimsuchte.

Gastland der diesjährigen Buchmesse ist die Schweiz, die mit mehr als 80 Autorinnen und Autoren sowie vielen Aktionen nach Leipzig reist. Angekündigt haben sich unter anderem Milena Moser, Adolf Muschg, Peter Stamm und Martin Suter.

Außerdem wird am 13. März um 16 Uhr in der Glashalle der Messe der Preis der Leipziger Buchmesse für herausragende deutschsprachige Neuerscheinungen und Übersetzungen verliehen. Zum zehnten Mal ist das Rennen um den begehrten Preis eröffnet. Im Jubiläumsjahr reichten 136 Verlage insgesamt 410 Titel ein, die im Zeitraum bis zur Leipziger Buchmesse 2014 erscheinen werden. Unter der Leitung von Journalist und Literaturkritiker Hubert Winkels nominierte die siebenköpfige Jury jeweils fünf Autoren und Übersetzer in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung.

Bis zum 6. März können Sie Ihren Favoriten in der Kategorie Belletristik wählen. Unter allen Teilnehmern wird ein Paket mit den nominierten Belletristiktiteln sowie Eintrittskarten zur Leipziger Buchmesse verlost.

Die drei Gewinner des Preises der Leipziger Buchmesse erfahren Sie am schnellsten, wenn Sie Seitengang bei Twitter folgen. Dort werden die Preisträger noch während der Preisvergabe bekannt gegeben, so schnell es möglich ist. Der ausführliche Text folgt dann selbstverständlich später hier im Blog.

Buch Wien 2013 – Das Fazit

DSC_0291Vor einer Woche schlossen sich die Tore der sechsten Internationalen Buchmesse „Buch Wien“ endgültig. Laut Veranstalter besuchten rund 34.000 Literaturinteressierte die Buchmesse und die begleitende Lesefestwoche. Flächenmäßig war die Messe auf 8.800 Quadratmeter gewachsen und bot mit 330 Ausstellern aus zehn Nationen und mehr als 400 Veranstaltungen ein breites Programm für Bücherfreunde.

Die Eröffnungsrednerin Sibylle Lewitscharoff hielt in ihrer Rede ein viel beachtetes Plädoyer für das gedruckte Buch und wetterte gegen den Online-Versandhändler Amazon und die Aufweichung des Urheberrechts:

„Ebenso katastrophal (…) sind tumbe neue politische Gruppierungen, deren oberstes Ziel es ist, die Urheberrechte zu schleifen und gleich alles kostenlos ins Netz zu stellen. Wir leben nun einmal in einer Gesellschaft, die ihre Anerkennung dadurch ausdrückt, dass für eine Leistung bezahlt werden muss. Dass es dabei oft eklatant ungerecht zugeht, ist klar. Aber es ist völlig unverantwortlich, von einzelnen Branchen zu fordern, dass in ihnen künftig unbezahlt gearbeitet werden soll.“

Die vollständige Eröffnungsrede ist hier abrufbar.

Für Andrang bei den Messebühnen und volle Säle bei den Abendveranstaltungen sorgten vor allem österreichische, aber auch internationale Autoren wie Leon de Winter, Per Olov Enquist, Viktor Jerofejew, Tanja Maljartschuk und Mahmud Doulatabadi. Aus Deutschland kamen unter anderem Ferdinand von Schirach, der mit seinem neuen Roman „Tabu“ die Lesefestwoche eröffnete, Brigitte Kronauer und Clemens Meyer.

Die österreichische Literaturszene war mit Peter Henisch, Austrofred und Michael Stavarič prominent vertreten, die Schweiz mit Peter Stamm. Ganz besonders genossen habe ich die Lesung von Nadine Kegele, der Publikumspreisträgerin des diesjährigen Bachmann-Preis-Wettbewerbs, die für mich eine Entdeckung war.

Dass die Buch Wien jedoch noch am Anfang einer Messe-Karriere steht, merkt man an einigen kleinen Stellen. Zwar gibt es ein gedrucktes Programmheft, das kostenlos ausliegt, es fehlt darin aber ein Autoren- und Ausstellerverzeichnis. Das Ausstellerverzeichnis gibt es extra als Faltplan, ist aber nicht in das Programmheft integriert. Außerdem fehlen im Programmheft leider Hinweise auf die Termine an den einzelnen Messeständen. Das ist etwa bei der Leipziger Buchmesse besser gelöst.

Es fällt außerdem auf, dass die Verlage bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken zu wenig Werbung machen für die Buch Wien. Auch das ist bei den großen Messen in Leipzig und Frankfurt anders. Trotzdem ist auch die Buch Wien eine Messe, die sich zu besuchen lohnt. Sie ist klein, familiär und überschaubar. Und gerade das macht sie so interessant. An den Messeständen und bei den Lesungen kommen Leser, Autoren und Verlagsmitarbeiter ins Gespräch. Ein Gang über die Messe artet nicht in Stress und Geschiebe aus, sondern sorgt für einen guten Einblick in die aktuelle Buchlandschaft. Ich bin gespannt, wie sich die Messe in den nächsten Jahren weiterentwickelt.

Die nächste Gelegenheit, die Buch Wien zu besuchen, gibt es vom 13. bis 16. November 2014. Ob Seitengang daran teilnehmen kann, ist allerdings noch nicht klar. Alle Berichte von der Buch Wien sind hier nachzulesen.

Peter Stamm liest in Wien aus „Nacht ist der Tag“

Foto: LCM Richard Schuster
Foto: LCM Richard Schuster
Am Dienstagabend las der Schweizer Schriftsteller Peter Stamm bei der Wiener Lesefestwoche aus seinem neuen Roman „Nacht ist der Tag“. Vor rund 50 Zuhörern gab er im Literaturhaus einen intensiven Einblick in das im Juli erschienene Buch und stellte sich den klugen Fragen des Moderators Stefan Gmünder.

Der neue Roman erzählt von den tragischen Erlebnissen der erfolgreichen Fernsehmoderatorin Gillian. Nach einem Streit mit ihrem Mann Matthias hat das Paar in der Nacht einen schweren Autounfall. Ihr Mann wird tödlich verletzt. Sie selbst überlebt, ihr zuvor schönes Gesicht ist aber fürchterlich entstellt.

Die Ärzte machen ihr zwar Hoffnung, dass sie in rund sechs Monaten wieder annähernd so aussähe wie zuvor, doch bis dahin ist der Blick in den Spiegel unerträglich. Es ist der Kampf einer Frau, die dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen ist, aber mit den Folgen leben muss. Leben können und leben müssen.

Eindringlich und mit vorsichtigen Worten

„Bin ich der, den ich spiele, oder bin ich der, der ich bin, wenn ich meine Kleider ausziehe?“, fasst Stamm nach der Lesung zusammen. „Und was macht das mit mir, wenn mein Körper sich grundlegend ändert?“ Es ist ein schwieriges Thema, das sich der Schweizer ausgesucht hat. Aber schon bei der Lesung wird deutlich, wie eindringlich und mit vorsichtigen Worten er sich der Thematik nähert.

Er ist ohnehin bekannt für seinen präzisen Schreibstil, seine Nüchternheit und seine Erzählungen über Menschen in Lebenskrisen. Die Personen seiner Romane kämpfen mit den großen Problemen. Oder wie Gmünder es am Abend treffender ausdrückte: „Es geht nicht um Breite, sondern um Tiefe.“

Stefan Gmünder, Leiter der Literaturredaktion der Wiener Tageszeitung Der Standard, sagte bei der Einführung über den Autor, Stamm spreche vom literarischen Schreiben als Arbeit. „Ich ‚muss‘ nicht schreiben, aber ich liebe das Schreiben mehr als jede andere Beschäftigung“, heißt es auf Stamms Homepage. In Wien schließlich gestand er: „Ich wüsste nicht, was ich sonst tun sollte.“ Und mit einem Schmunzeln: „Ich kann auch nichts anderes.“

„Ich hatte ein strukturelles Problem“

Den Stoff für den Roman hatte Stamm vor Jahren schon einmal in abgewandelter Form aufgegeben. „Ich hatte nur den Anfang, die Geschichte einer Heilung, aber ich hatte ein strukturelles Problem damit“, erklärte er. Er habe aber unbedingt daran arbeiten wollen. Erst nach der Umstellung der Struktur sei der Roman und die Arbeit daran wieder möglich geworden.

Die Namen in „Nacht ist der Tag“ aber seien schon von Anfang an da gewesen. „Ich kann keine Figur beschreiben, die keinen Namen hat“, sagte Stamm. Gmünder aber verwies zurecht darauf, dass der Name Gillian etwas heraussteche. Ob es dazu eine Hintergrundgeschichte gebe. „Nein, Namen wandern einem ja zu. Aber ich kann nicht erklären, woher der Name Gillian stammt.“

Stattdessen aber konnte Stamm erklären, warum er so gerne auf Lesereise geht: „Beim Schreiben ist man ganz allein, beim Lesen sieht man wenigstens auch mal die Leute, die das Zeug kaufen.“ Das Publikum nahm die Chance zum Lachen gerne an. Es wirkte wie eine Erlösung nach dem schweren Stoff.

Die Leute, die sein neustes „Zeug“ noch nicht gekauft hatten, konnten das noch am Abend nachholen und von Peter Stamm signieren lassen. Auf Seitengang wird beizeiten die Rezension zu „Nacht ist der Tag“ zu lesen sein.

Peter Stamm: Nacht ist der Tag, Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2013, 256 Seiten, gebunden, 19,99 Euro, ISBN 978-3100751348, Leseprobe

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